Generaldebatte. Wagener. 189
mungen in Bezug auf die neue deutsche Freiheit und Einheit aussieht. Aber
alle diese Täuschungen müssen meiner Ansicht nach eintreten, wenn es über-
haupt in Deutschland besser werden soll. Erst wenn das Volk einfieht, daß
es von seinen Regierungen, von seinen Fürsten nichts zu hoffen hat, daß je-
der Krieg, der geführt wird, immer nur gegen sein Interesse geführt wird,
erst wenn es eingesehen, daß die drei Kriege, die seit 10 Jahren in Deutsch-
land geführt worden sind, nur uns jedesmal in freiheitlicker Beziehung zu-
uckgebracht haben, dann wird es besser werden; das Volk wird zur Selbst-
erkenntniß kommen, das Volk wird anfangen denken zu lernen, — und,
meine Herren, das Resultat wird sein, daß das Volk begreift und einsieht,
daß es von seinen Fürsten, von seinen Regierungen nichts zu erwarten
hat, daß es nur gestützt auf seine eigene Macht, auf sein eigenes Selbst-
bestimmungsrecht, eine neue Verfassung sich schaffen muß: daß, mit Einem
Worte, das Endziel des deutschen Volkes einzig und allein die Beseitigung
der Menarchie und die Begründung der Republik sein kann und muß.
(Biderspruch, große Unruhe.)
Wagener: (Neustettin)): Meine Herren, ich werde meinem unmittel-
daren Herrn Vorredner auf seine Ausführungen nicht antworten; denn wie
ich aus der mir soeben zugestellten Börsenzeitung ersehe, haben die Herren
bereits ihre Antwort erhalten, und zwar durch eine Adresse des französischen
Konsuls in Wien, des Heirn Lefairre, (Hörtl hört!) der diesen Herren den
Dank der französischen Republik für ihr edles Auftreten in dieser Versamm-
lung ausgesprochen hat. (Lebhafter Nuf: Hört! hört! Pfui!) Meine Her-
ren, ich werde mich deshalb auch meinerseits darauf beschränken, hier den
uns vorliegenden Verträgen gegenüber einfach den Standpunkt meiner Par-
teigenossen zu vertreten. Meine Herren, die deutsche Einheit, mit deren ver-
fassungsmäßiger Regulirung wir gegenwärtig befaßt sind, ist nach unserer
Auffassung das Produkt des Krieges, den wir heute noch kämpfen, und wir
meinen, daß das Original dieser deutschen Einheit so deutlich und leserlich,
se unrertilgbar mit dem besten Blute der deutschen Männer auf den Sieges-
feldemn Frankreichs niedergeschrieben ist, daß wir unfrerseits weder unzufrieden
noch ungeduldig sind, wenn die Kopic auf Druckpapier, die uns heute vor-
liegt, auch noch hier und da an Undeutlichkeiten und Unvollständigkeiten lei-
det. Meine Herren, weil die deutsche Einheit, die wir verfassen sollen, ein
Predukt des gegenwärtigen Krieges ist, deshalb ist sie auch untrennbar von
der Beendigung und Erledigung dieses Krieges, und ich habe mit ganz be-
sonderer Freude gestern die Ausführungen des Herrn Lasker begrüßt, als
e#r uns darauf hinwies, daß nichts mehr die Früchte dieses Krieges beein-
tächtigen und verkümmern könnte, meine Herren, als wenn wir diesen noth-
wendigen und von selbst gegebenen Abschluß des Krieges verkümmern wollten.
Meine Herren, es ist nicht von ungefähr, daß diese Verfassung aus dem
!) St. B. S. o1 . o.