192 1870. Verträge.
das ist niemals weder eine Monarchie, noch eine Republik, das ist immer
Beides zugleich gewesen. (Sehr wahr! Sensation.) Es war eine Singula-
rität, meine Herren, und ich sage es mit Stolz, das deutsche Reich war um
deswillen eine Singularität, weil das deutsche Volk selbst eine Singularität
ist. (Zustimmung.) Deutschland ist eine Mutter, die sehr viele wohlgera-
thene Kinder hat, (Beifall, Heiterkeit) und, meine Herren, der berechtigte
Partikularismus, das heißt weiter nichts, als den einzelnen deutschen Stäm-
men sind im Laufe der Geschichte besondere Charismen zu eigen geworden,
die sie zu konserviren nicht allein berechtigt sondern im Interesse der Ge-
sammtheit auch verpflichtet sind. So weit wollen wir bei uns den Parti-
kularismus. Wir wollen konserviren das deutsche Reich als das, was es
immer gewesen ist, als den Mikrokosmus der curopäischen Zustände, als den-
jenigen Punkt, wo alle die europäischen Verwickelungen und alle Gegensätze
schließlich, wie wir hoffen, ihre Ausgleichung und Versöhnung sinden werden.
Nun, meine Herren, wenn ich jetzt nach diesen meinen principiellen Darle-
gungen mich noch auf eine von den präjudiziellen Einwendungen meiner
Herren Vorredner einlasse, so geschieht das besonders zu dem Zwecke, weil
es fast so scheinen könnte, als hätten wir in diesem Hause die Rolle gewech-
selt, und als wäre es auf jener Seite (nach links deutend) wo die konserva-
tiven Grundsätze, die Befugnisse der preußischen Landesvertretung und in
specic des preußischen Herrenhauses ihre Berechtigung finden. Meine Her-
ren, meine Freunde umd ich, wir haben unsere Stellung nicht formulirt und
festgestellt, ohne uns darüber mit hervorragenden Mitgliedern des preußischen
Herrenhauses in Einvernehmen zu setzen, und ich kann Ihnen versichern,
meine Herren, daß Sie in dieser Körperschaft nicht ein Widerstreben finden
werden, irgend etwas von dem zu bemängeln, was in diesen uns vorliegen-
den Verträgen niedergelegt ist; Sie werden auch schwerlich ein Widerstreben
dagegen finden, wiederherzustellen Kaiser und Reich in den Formen und
Normen, wie sie uns jetzt hier beschäftigen. Aber, meine Herren, die Ein-
wendungen, die daraus hergeleitet wurden, waren auch thatsächlich falsch.
Der Herr Abgeordnete für Meppen, der sonst so sehr scharf liest, scheint doch
das in den Verträgen nicht gefunden zu haben, worauf es für uns in dieser
Sache ausschließlich ankommt. Meine Herren, er wird finden, daß diese
Kompetenzerweiterungen in den uns vorgelegten Verträgen von dem Bundes-
rath hier einstimmig angenommen worden sind, und daß also für uns hier
eine vollkommen vertragsmäßige Erweiterung derjenigen Befugnisse vorliegt,
ohne welche wir allerdings von unserem Standpunkte aus vielleicht einige
von seinen Bedenken gegen die Kompetenzerweiterungen getheilt haben wür-
den. Aber, meine Herren, er hat uns dann besonders hingewiesen auf die
außerordentlich große Bedenklichkeit der Aufnahme von Preß= und Vereins-
wesen in diese Bundesverfassung, und ich glaube, es war das eine von den
Vorführungen, die darauf berechnet waren, in den liberalen Kreisen eine
tiefgehende Mißstimmung gegen die Vorlage zu erzengen. Aber, meine