Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Generaldebatte. Loͤwe. 197 
wie das Volk mit allem Rechte vorausgesetzt hat? Nein, meine Herren, 
diese Verfassung, die Ihnen vorgelegt ist, oder vielmehr diese Verträge 
baben, wie Ihnen die klaren und bestimmten einleitenden Worte des Herrn 
Ministers Delbrück schon ausgesprochen haben, sehr stark dem foͤderativen 
Charakter unseres Volkes Rechnung getragen. Und wenn der Herr Abge- 
erdnete Wagener eben hier an dieser Stelle behauptet hat, daß er darum 
mit diesem Werke zufrieden ist, weil es den Charakter des Föderalismus, 
den seit Jahrhunderten unsere Geschichte aufgezeigt hat, wiedergiebt, dann, 
meine Herren, dann bin ich gegen dieselbe, denn dieser Charakter ist nach 
den Erfahrungen von Jahrhunderten verderblich gewesen. Dieser Charakter 
unserer Verfassung ist es eben gewesen, der uns die elenden Zerrüttungen ge- 
bracht hat. (Sehr wahr!) Wenn wir einen solchen Abschluß mit einer 
Verfassung machen, dann müßten wir uns wohl fragen, ist denn das in 
dem Geiste des Volkes geschehen, das uns gewählt hat, das uns die Aufgabe 
gestellt hat, die Verfassung, wie sie 1867 gewesen ist, auszubilden in ihrem 
Geiste und in ihren entscheidenden Bestimmungen. Wenn der Herr Abge- 
erdnete Wagener denkt, den Herren Abgeordneten Bebel dadurch abzufinden 
mit seinen vollen und gerechten Klagen über Enttäuschung, daß er ihm den 
unglückseligen Brief, den ich bedaure, obgleich ich in keiner Beziehung zu 
dem Abgeordneten Bebel stehe, hinweist, dann irrt er sich sehr. Diese 
schmerzliche Enttäuschung besteht in der That. Man hatte etwas ganz An- 
deres in dem Abschluß der Verfassung zu erlangen gehofft, und da sagen wir 
nun Ihnen: wenn Ihr nun sagt, daß Ihr einen ganz anderen Weg betreten 
müßt, als auf dem Ihr bis jetzt dem rom Volke erstrebten Ziel entgegen 
gegangen seid, wenn Ihr sagt, daß die Aufgaben, die vollzogen werden 
müssen, verlangen, daß man jetzt einen ganz anderen Weg einschlagen muß, 
dann müßt Ihr wenigstens das Volk noch einmal fragen, ob es selbst geneigt 
it, diesen Weg zu gehen. Was uns bier vorliegt, ist nicht blos eine Ver- 
sassungsveränderung im gewöhnlichen Sinne des Wortes, es ist eine Ver- 
fassungsveränderung, die eine vollständige Umkehrung wichtiger Verfassungs- 
bestimmungen und gerade in Bezug auf das sind, was die Einheit des 
Staats betrifft, die wir bis dahin erstrebt haben. Meine Herren, man hat 
mun hier gestern und zwar in einer Weise, die ich nicht näher charakterisiren 
will, eine Mittheilung des Herrn Ministers über die vom König von Baiern 
angebotene Kaiserkrone hervorgerufen, und die Hoffnung ausgesprochen, daß 
mit dem Kaiserthum, mit der Kaiserkrone nun das Verfassungswerk in der 
Beise zum Abschlusse kommen werde, daß der gefährliche föderative Cha- 
rakter, der sich in derselben findet, durch die Krene, die dem Oberhaupt bei- 
gelegt werde, uns beruhigen könne über die Gefahren, die historisch immer 
der Göreralismus über unseren Staat gebracht hat. Meine Herren, erlauben 
Sie mir, einen Augenblick dabei zu verweilen, um an gewisse persönliche Er- 
innerungen anzuknüpfen; denn Sie wissen ja, ich habe auch ein Mal mit 
einer solchen Kaiserkrune zu thun gehabt, (Heiterkeit) und muir ist nachher
	        
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