Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Generaldebatte. Löwe. 199 
Wenn der Herr Präsident des Bundeskanzler-Amts uns immer gesagt hat: 
rechnen Sie doch mit den realen Dingen, Sie müssen nicht Ihre Wünsche 
zum Maßstab nehmen, sondern die wirklichen Dinge, — da, meine Herren, ist 
mir sowohl aus seinem Vortrage, der sich ja gestern wie überall immer 
wieder durch die innere Logik auszeichnete, — da ist es mir klar geworden, daß 
ich doch für das Wort „Thatsoche" und „Ding"“ für reale Dinge das Wort 
„wirkliche Menschen“ setzen muß, um ihn richtig zu verstehen. Da ist mir 
klar geworden, daß diese Verfassung nicht bloß gemacht ist als Auskunfts- 
mittel nach den Eingebungen des Moments, sondern, daß sie gemacht ist für 
die leitenden Menschen des Moments, (Sehr wahr!) sie ist so zu sagen den 
leitenden Menschen auf den Leib zugemessen, daß sie damit arbeiten können, 
— eh Andere? das wird Ihnen die Zukunft lehren. (Hört! Hörtl) Nun, 
meine Herren, wissen Sie sehr wohl: vergänglich ist der Mensch, und noch 
vergänglicher die Situationen. Selbst der Herr Abgeordnete Wagener hat 
mr zu wünschen sich gestattet, daß nicht sobald die Nation das vergessen 
möchte, was jetzt geschehen ist. Vergessen in der Weise, daß das Herz nicht 
mehr unruhig pulsirt, daß das Blut nicht mehr in Wallung ist, daß die 
Nerren nicht mehr in zitternder Spannung sich befinden, in der wir Alle 
mun schon seit Monaten unter dem Eindrucke der Ereignisse gelebt haben: 
in der Weise werden wir Alle später nicht mehr bei dem Gedanken daran 
fühlen, in der Weise wird es also vergessen sein. Als ein historisches Fac- 
um wird es niedergeschlagen sein, und dann, meine Herren, richtet sich die 
Kage nach der Verantwortung für das, was in dem Momente der Aufre- 
gung und Bedrängniß Dauerndes geschaffen ist, an Sie hier in erster Linie. 
Dem Sie sind nicht in der Lage gewesen, thätig arbeitend mitzuwirken, 
Sie haben nicht unmittelbar die Last der Verantwortlichkeit für Alles, was 
geschieht, zu tragen gehabt. Ihre Aufgabe war es nicht, in einem bedräng- 
sen Moment ein Auskunftemittel zu finden, sondern Sie mußten Ihr auf- 
geregtes Herz in beide Hände fassen, sich sagen, wie es auch stürmen und 
weteen mag draußen, so mußt du gewissenhaft Deiner Pflicht nachleben, 
mußt nicht für den flüchtigen Moment eine Konstitution schaffen, die für 
Generationen bestimmt ist. (Bravo! links.) Wenn der Moment vorüber 
ist, meine Herren, dann wird man ja des Blutes immer noch gedenken, 
aber man wird seiner mit anderen Empfindungen gedenken. Die Kritik 
dagegen dessen, was hier für die Dauer geschaffen ist, wird dann Ihnen 
gegenüber wenig Rücksicht darauf nehmen. Und haben Sie nicht schon die 
wa#ende Stimme von dem Hrn. Abg. Bebel gehört) Das, was er heute 
als Vereinzelter sagt, das, worüber er klagt, daß die Enttäuschungen einge- 
neten sind, diese Stimme wird sich in immer weiteren Kreisen erheben, je 
weiter der historische Moment zurückliegt. Und Sie gerade, meine Herren, 
Sie, die monarchische Partei, Sie sollten es nicht dam kommen lassen, daß 
man sagt, die einzige große Ausbeute im Innern für die Nation ist eine 
Krone gewesen! (Bewegung.) — Meine Herren, ich wende mich zur Be-
	        
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