202 Verträge 1870.
sagte, so unbedeutend er in guten Zeiten ist, so bedeutend in schlechten Zeiten
sein wird. Meine Herren, ich kann also nicht mit Leichtigkeit über diese
Angelegenheiten fortgeben, um so weniger, wenn ich an die großen Ereignisse
der letzten zeit, wie an die Lage, in der wir uns befinden, in ihrem Zu-
sammenhange, besonders aber, wenn ich an die Entstehung dieses Krieges
zurückdenke. Meine Herren, wir sind Alle ohne Zweifel für den deutschen
Patrioten, der in diesem Augenblick den Thron von Baiern ziert, mit gro-
ßem Dank erfüllt. Wir Alle haben ihm aus tiefstem Herzen gedankt für
die Schnelligkeit und Bestimmtheit, mit der er in dem kritischen Augenblicke
für das Interesse der deutschen Nation eingetreten ist. Meine Herren, wenn
wir ihm aber das volle Maß der Anerkeumung und des Dankes entgegen-
bringen, daun vergessen Sie nicht, daß wir an diesem Maße selbst den
Maßstab finden für die Gefahren, die er von und abgewendet hat, und zu-
gleich erkannte, wie nahe sie gewesen sind. (Sehr richtig!) Die Gefahr
war nicht gering, und wenn ich in diesem Augenblicke darauf zurückkomme,
so ist es, um Ihnen zu sagen, daß ich wohl begreife, daß die Umwandlung
in ein verfassungsmäßiges Verhältniß Seitens der Kriegsleitung Baierns,
so daß von einem casus foederis überoll nicht mehr die Rede sein kann,
in diesem Augenblick ein großes Gewicht in die Wagschale legen wird. Aber
ich wiederbole Ihnen, Sie sollen keine Verfassung machen für Moemente,
für eine besondere Situation. Ich schätze es nicht gering, was Baiern für
die Nation mit seinem schnellen und rückbaltslosen Eintreten damals gethan
hat. Nicht, daß ich nicht glaubte, wir, das alte Preußen, wäre nicht im
Stande gewesen, den Krieg aus eigenen Mitteln mit eigenen ZKräften zu
führen. (Beifall.) Unsere Mittel sind auch jetzt noch lange nicht erschöpft,
unser Volk ist mittelst seiner langen militärischen Erziebung in einer Größe
und Stärke für den RKrieg entwickelt, daß es mit jedem Feinde in Europa-
den Kampf für sich allein aufnehmen könnte. (Bravol) Aber wenn wir
mittelst größerer Anstrengungen auch den Sieg über den Angreifer davon
getragen hätten, Eins hätten wir allein nicht zu verhüten vermocht, nämlich
daß dieser Krieg zwischen Frankreich und Deutschland zu einem Welkkriege,
wenigstens zu einem euro päischen Kriege geworden wäre. Das abgewen-
det zu haben, das Verdienst wird die Geschichte dem König von Baiern
boch anrechnen und nicht wir allein, sondern ganz Europa ist ihm darum
für seinen schnellen und festen Entschluß zum Danke verpflichtet. Denn
wenn Baiern mit den süddeutschen Staaten in neutraler Stellung geblieben
wäre, würde die orientalische Frage, die später aufgetreten ist, ein ganz an-
deres Gesicht gewonnen haben. Was damals gewesen ist, erkenne ich noch
beute als eine mögliche Gefahr an, wenn auch durch die Waffenbrüderschaft
beider Armeen und durch die glorreichen Siege, die mit ihr erkämpft wor-
den sind, eine Garantie gegeben ist, daß das Verderben nicht so leicht über
uns bereinbrechen kann. Meine Herren, vergessen Sie aber bei diesem Mo-
mente nicht, wo wir gerade unsere Augen auf Europa richten, daß Europa-