Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Generaldebatte. v. Sänger. 221 
v. Säuger (Wirsitz-Schubin, Bromberg)’'): Meine Herren, ich werde 
zu meinem Herrn Vorredner auch in der Beziehung in schroffen Gegensatz 
rreten, daß ich Ihre Geduld nur sehr kurze Zeit in Anspruch nehmen werde. 
Halten Sie es aber mir zu gute als einem alten Veteranen, deren eine ge- 
ringe Zahl hier in diesem Hause nur noch vertreten ist, — als einem Ve- 
teranen in den parlamentarischen Kämpfen für die deutsche Sache aus den 
Jeiten des Frankfurter Parlaments her, der allen Wandlungen dieser großen 
Frage bis dahin mit seinem Herzbint gefolgt ist, — halten Sie es mir zu 
gute, wenn ich in dem jetzigen Stadium der Debatte nicht ganz schweigsam 
bleiben kann. Meine Herren, ich werde mich auf eine Polemik, auf eine 
Kritik des bisher in der Debatte Gesagten nicht einlassen. Auch ich befinde 
mich in der Lage, wie wohl alle geehrten Mitglieder in diesem Hohen Hause, 
daß ich zunächst mit schweren Bedenken, mit inneren Kämpfen zu dem Ent- 
schluß, aber nun auch zu dem festen, sichern, ja frohen Entschluß, kann ich 
sagen, gekommen bin, zu den Verträgen Ja zu sagen, Ja ohne Ausnahme. 
Meine Herren, mehrere von den geehrten Rednern, ich neune namentlich die 
Atgeordneten Lasker und Miquel, haben den großen geschichtlichen Moment 
auch schon hervorgehoben, vor dem wir stehen, an dem wir mitzuwirken von 
der Vorsehung gewürdigt sind; aber ich habe dabei doch immer das Be- 
dauern nicht unterdrücken können, doß gegenüber dieser Auffassung der Lage 
die mißbilligende Kritik dessen, was uns vorliegt, diesen andern Gesichts- 
punkt, der für mich der allein entscheidende ist, zu sehr überdeckt hat. Ich 
werde mich, meine Herren, nur an diese eine Seite halten, ich werde nur 
ron dem großen Momentt sprechen, vor dessen Entscheidung wir stehen, und 
ur mit einigen Worten darauf hinweisen, welche Bedentung es hat, daß 
jetzt und unter solchen Umständen eine Einigung Deutschlands herbeigeführt 
wird. Meine Herren, mögen die Ausstellungen an dem, was jetzt erreichbar 
ist, so berechtigt sein, wie sie wollen, wie ich denn ihre Berechtigung in vie- 
ler Beziehung anerkenne, dennoch, — würde auch nichts weiter erreicht, als dies 
Eine, daß in wirthschaftlich-politischer und in Waffengemeinschaft das neue 
Deutschland fest und dauernd geeint wird, während es bisher nur auf Kün- 
digung geeint war, — also, wäre dies, meine Herren, der einzige Punkt, ich 
meine, er müßte uns schon genügen, und gegenüber der traurigen Geschichte 
der Zerrissenheit, die hinter uns liegt, müßte es schon als ein welthistorischer 
Mement von unermeßlicher Tragweite erkannt werden, daß wenigstens in 
dieser Beziehung das künftige Deutschland ein einiges sein wird. Wenn, 
meine Herren, der Wunsch sich daran knüpft, daß es bei dieser Einigung 
nicht verbleiben möge, daß wir weiter kommen sollen auch in der freiheit- 
lichen Entwickelung, in der strengeren und strikteren Durchfühmmg des Bun- 
desstaats, so habe ich auch in dieser Beziehung kein Bedenken, denn mit die- 
ser jetzt erreichbaren Einigung ist der Keim gelegt zu weiterer Entwickelung, 
*) St. B. S. 103 r. u.
	        
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