234 Vertrag mit Baden und Hessen.
Artikel 3.
Antrag Wigard: in einem Zusatze die Grundrechte des deutschen
Volks zu gewährleisten?).
Wigard (Dresden)“’): Meine Herren, trotz den entgegengesetzten trau-
rigen und niederschlagenden Erfahrungen der Jahre 1813, 1830, 1848 und
selbst 1867 hatte ich mich dennoch der sanguinischen Hoffnung hingegeben,
daß bei der allgemeinen Begeisterung der deutschen Nation, mit welcher sie
in den Krieg eingetreten ist, bei den Strömen von Blut, welche unsere Söhne
vergossen, die deutschen Regicrungen endlich mit einem anerkennenden Danke
gegen diese Aufopferung hervortreten und endlich über eine Verfassung sich
einigen würden, welche den gerechten Anforderungen der deutschen Nation
doch einigermaßen Rechnung zu tragen im Stande wäre. Leider bin ich
auch gegenwärtig wieder vollständig enttäuscht. Meine Herren, wir stehen
am Vorabende einer Kaiserkröenung wie damals vor 21 Jahren, aber mit
einem bedeutenden, tiefeingreifenden Unterschiede. Damals sollte der Deutsche
Kaiser, wie ein Dichter sich ausdrückte, mit einem Tröpfchen von demokra-
tischem Oele gesalbt werden, gegenwärtig wird ihm aber ein unbeschränkter
Militarismus zur Seite gestellt; damals wurde an die Seite des Kaisers
eine Verfassung gestellt, welche in einem organischen und harmonischen Ge-
füge sowohl die Rechte der Centralgewalt als die Gleichberechtigung aller
Staaten, wie endlich auch die Berechtigungen der Staatsangehörigen in ein
richtiges Maß und Verhältniß stellt. Gegenwärtig, meine Herren, ist von
einer solchen Verfassung keine Rede selbst trotz aller schönen Phrasen; trotz
aller Schourederei vermag der nüchterne Verstand in dem, was uns vorgelegt
worden, alles Andere aber nur keine Verfassung eines wahren Bundes zu
erblicken. Nichts als Verträge zwischen Fürsten und Regierungen, das soll
der Kitt sein, welcher die deutsche Nation nicht etwa zu einem ganzen großen
deutschen Vaterlande, nein auch nur wie damals 1849 zu einem Klein-
deutschland vereinigen soll, zu einem Kleindeutschland, dessen Spitzen und
Träger in unnahbarem Absolutismus und schrankenlosem Burraukratismus,
dessen Glieder in der Ungleichheit ihrer Rechte und Verbindlichkeiten, dessen
Angehörige in voller verfassungsloser Rechtslosigkeit sich auszeichnen. (Bravo
links.) Meine Herren, bei einer solchen betrübenden Erscheinung möchte es
doch wohl an der Zeit sein, den großen fast unerschwinglichen Opfern an
Gut und Blut gegenüber auch daran zu denken, daß es nicht bloß Fürsten,
nicht blos fürstliche Regierungen in Deutschland, sondern daß es auch eine
deutsche Nation giebt, (Sehr wahr! links) aber von dieser deutschen Nation,
von ihren Rechten, finden Sie in den vorgelegten Verträgen Nichts. Meine
*) Drucks. Nr. 26, woselbst die Formulirung nachzusehen ist; vgl. den ähnlichen
Antrag Schrader Ziff. 8 Bd. I. S. 405.
5½% St. B. S. 110 l. m.