236 Vertrag mit Baden und Hessen.
wenn es sich um eine solche Revision handelte, auch ihrerseits manche Wünsche
auf dem Herzen haben würden; sie baben aber geglaubt, auf jeden dieser
Wünsche für den gegenwärtigen Moment verzichten zu müssen, weil sie davon
ausgingen, daß in einem Augenblick und in einer Lage, in welcher es vor
allen Dingen darauf ankommt, auf Grund der bestehenden Bundesverfassung
den Bund über ganz Deutschland auszudehnen, es nicht richtig sei, diejenigen
verfassungsmäßigen Organe, welche über die Vorlagen zu beschließen haben,
in die Lage zu setzen, beschließen zu müssen über Fragen, welcher dieser Aus-
dehnung des Bundes unmittelbar fremd sind. Die Regierungen haben ge-
hofft und hoffen auch heute noch, daß der Reichstag sowohl als die ver-
fassungsmäßigen Organe der Einzelstaaten, welchen die gegenwärtigen Vor-
lagen noch vorzulegen sein werden, von einer gleichen Enthaltsamkeit aus-
gehen werden, daß auch sie sich bewußt sein werden, daß der Moment jetzt
nicht da ist, um Wünsche, die sie für berechtigt halten mögen, in Beziehung
auf die Rerision der Bundesverfassung selbst, zur Geltung zu bringen. Ich
kann meinerseits nur erklären, daß für die Regierungen die Möglichkeit nicht
da ist, auf eine Revision der Bundesverfassung — und darauf zielen die
Anträge des Herrn Vorredners hin — jetzt einzutreten, und ich habe Sie
deshalb zu bitten, diese Anträge abzulehnen.
Frhr. v. Hoverbeck (Berlin II.)7): Meine Herren, die eben gehörte
Erklärung des Herrn Präsidenten des Bundeskanzler-Amts drückt das Siegel
auf die Art und Weise, wie die künftige Verfassung des Deutschen Bundes
hier von uns festgestellt werden soll. Wenn hier ausdrücklich anerkannt wird,
und zwar bei dem Eingang in die Sxezialberathung, daß irgend eine Frucht
für die freibeitlichen Bestrebungen des deutschen Volkes, irgend eine Erfüllung
einer Forderung der Nation von vornherein ausgeschlossen ist, daß also Alles,
was der Reichstag hier beschließen kann, nichts als eine Vermehrung des
separatistischen Elements im künftigen Deutschen Bunde ist, so ist das in
diesem Augenblick um so gefährlicher, als für alle Zukunft derartige Ver-
besserungen, wie sie die Norddeutsche Bundesverfassung wenigstens theilweise
zuläßt, bedeutend erschwert werden. Wenn die Vorlagen der vereinigten
Regierungen Gesetz werden, so wird künftig eine verhältnißmäßig sehr ge-
ringe Zahl ron Stimmen hinreichen, um jede heilsame Veränderung nach
dieser Richtung hin zu erschweren. Ob es in diesem Augenblick möglich ist,
einzelne Amendements noch zu stellen und durchzubringen, während in der
Handlungsweise der Regierungen Alles darauf hinzielt, uns die ganze Sache
enn bloc annehmen zu machen, das stelle ich anheim. Ich glaube, es wird
zweckmäßig sein, daß wir bis zum letzten Augenblick mit unseren Amende-
ments aushalten, und daß wir dem ganzen Lande gegenüber zeigen, wo der
Entschluß bestanden hat, jede Förderung des Werks unmöglich zu machen;
„ St. B S. 111 I. g. m.