Verfassung. Art. 3. Antrag Wiggers. 239
neues und grelles Licht zu werfen. Was sollen — fragen die Petenten —
wir antworten, wenn unsere junge Mannschaft, welche Leben und Gesundheit
eingesetzt, heimkehrt und fragt, warum sie, die neben den übrigen Deutschen
für das große Vaterland gekämpft habe, in ihrer engeren Heimath nicht
gleicher staatsbürgerlichen Rechte sich erfreuen dürfe wie ihre Waffenbrüder
in den anderen deutschen Staaten? Den jugendlichen Kriegern, welche auf
der Höhe einer weltgeschichtlichen Aktion die freie, frische Luft geathmet
baben, könne nicht zugemuthet werden, in den dumpfen Räumen mittelalter-
licher Zustände sich wohl zu fühlen. Andererseits könne das deutsche Reich
seine Mission nur dann erfüllen, wenn alle Glieder am deutschen Volkskörper
sich fri bewegen und die geistigen und sittlichen Kräfte, welche unserer Na-
tion anrertraut seien, nirgends gehemmt und verkümmert werden. So lange
also die unnatürlichen Fesseln, welche in Mecklenburg die Freiheit des öffent-
licben Lebens unterbinden, nicht abgenommen seien, könne auch der gesunde
unk kräftige Volksstamm, der in Mecklenburg wohne, für das Gedeiben des
Ganzen unmöglich denjenigen Beitrag gewähren, dessen er an sich fähig sei.
Deshalb bitten die Petenten, in einem Augenblicke, wo es sich um die Neu-
gestallung des deutschen Reiches handele, daß der Reichstag den Beschluß
sasse, den ich im Eingange mir erlanbt habe vorzulesen. Der Antrag der
Pettions-Kommission ist schon vorher auch für diese Petition angenommen.
Wiggers aus Rostock (Berlin III.)“): Meine Herren, wie Ihnen be-
wits mitgetheilt, stimmt der Antrag, der von mir und einer größeren Anzahl
Reichstagsmitglieder gestellt ist, im Wesentlichen überein mit dem Antrage
einer Petition aus Mecklenburg und auch mit einem Antrage, der schon
früber hier im konstituirenden Reichstage verhandelt ist?), und dahin lautet:
„In jedem Bundesstaat wird die Gesetzgebung und die Feststellung des Bud-
get unter Mitwirkung einer aus Wahlen hervorgegangenen Volksvertretung
geubt." Meine Herren, der Antrag wurde damale abgelehnt, nicht weil man
üien an sich für unzweckmäßig und unzulässig hielt, sondern aus dem Grunde,
weil man befürchtete, er könnte dem Einigungswerk hinderlich in den Weg
treten. In Folge einer Petition, die dem ersten gesetzgebenden Reichstage
im Jahre 1867 zuging, wurde aufs Neue über die mecklenburgische Frage
im Reichstage verhandelt. Es wurden verschiedene Anträge gestellt, die aber
sämmtlich abgeworfen wurden. Der Antrag der Petitionskommission, welche
einen Antrag auf Wiederherstellung einer konstitutionellen Verfassung empfahl,
wurde indeß nur mit der geringen Majorität von 106 gegen 102 Stimmen
abgelehnt. Im Reichstage des Jahres 1869 kam die mecklenburgische Sache
zum dritten Mal zur Verhandlung), und da wurde im Sinne der Petenten,
die damals aus Mecklenburg sich wiederum an den Reichstag gewandt hatten,
ein Beschluß mit großer Majorität gefaßt, wonach diese ganze Angelegenheit
.) St. B. S. 112 l. g. o.
*) Bd. I. S. 408 Antrag Ziff. 14.
Siehe nuten. Vergl. Anm. ) Bd. III. S. 122.