Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Verfassung. Art. 3. Antrag Wiggers. Wiggers. 241 
ganzen Landes zu vertheidigen, sondern — wie ausdrücklich der landesgrund- 
gesetzliche Erbvergleich von 1755 sagt — nur ihre eigenen Interessen; die 
allgemeinen Interessen sind für die Stände, die nur ihre eigenen Interessen 
zu vertreten haben, wie der landesgrundgesetzliche Erbvergleich sagt, „Lleich- 
gültig“. Außerdem, meine Herren, haben wir, die Bevölkerung, nicht das 
Geringste der Einwirkung auf die Gesetzgebung und auf die Finanzen. Wir 
wissen nicht einmal, wie es mit unseren Finanzen steht; es wird uns keine 
lebersicht gegeben, und im Jahre 1850 ist zum letzten Male während unserer 
kenstitutionellen Zeit ein Staatshaushalt erschienen. Meine Herren, Sie 
werden zugeben, daß diese Zustände für uns nicht länger zu ertragen sind, 
und daß es auch im Inkteresse des deutschen Bundes liegt, solche Zustände 
beseitigen. Denn, meine Herren, die Prinzipien, die in den einzelnen 
Verfassungen niedergelegt sind, müssen doch mit den allgemeinen Prinzipien, 
welche sich in der Bundesverfassung befinden, übereinstimmen. (és dürfen 
dech nicht in dem einen Staate Zustände sein, welche sich der freien Ent- 
wicklung des Bundes und der Gesetze desselben förmlich entgegenstellen? Wenn 
ein Glied des Bundes krank ist, dann ist auch der ganze Bund krank. Wir 
geben davon laus, daß das Deutsche Reich an der Spitze der Cirilisation 
marschiren soll. Aber wie soll es an der Spitze der Cirilisation marschiren 
können, wenn noch einzelne Staaten zu deinselben gehören, deren Zustände 
nech tief im Mittelalter wurzeln? Und was werden wir gegenüber denen 
sagen, welche uns zurufen: Wie, Ihr wollt an der Spitze der Cirilisation 
marschiren, und die Zustände der einzelnen Staaten sind noch solche, daß sic 
im vollständigen Widerstreit zu Eurem Vorhaben stehen! Meine Herren, die 
mecklarburgische Bevölkerung hat ebenso wie alle übrigen deutschen Volks- 
stämme im Kriege ihre Schuldigkeit gethan, und ebensowohl Gut und Blut 
geoxfert, wie die anderen Stämme Deutschlands. Ich glaube nicht, daß wir 
in dieser Beziehung hinter irgend einem von den übrigen Stämmen zurück- 
steben. Dann aber, meine Herren, sage ich, wenn wir die gleichen Opfer 
gebracht haben, warum sollen wir denn nicht gleichberechtigt sein in staat- 
licher Beziehung mit den übrigen Volksstämmen? Unsere Soldaten haben 
ebensowohl ihr Blut geopfert, als die Soldaten aus den übrigen Ländern, 
und — es ist schon in der Petition darauf aufmerksam gemacht — was 
werden sie sagen, unsere Soldaten, wenn sie wieder zurückkehren, und sie 
baben wohl die gleichen Pflichten, nicht aber die gleichen Rechte, wie ihre 
Kameraden. Sie haben aus den Zeitungen und telegraxhischen Depeschen 
hesehen, daß gerade die mecklenburgischen Soldaten sich gegenwärtig in der 
gefährlichsten, erponirtesten Stellung befinden, daß Ströme ihres Blutes ge- 
slossen sind. Wollen Sie, daß unsere tapferen Soldaten zurücklehren, wie 
einst ihre Vorfahren aus den Freiheitskriegen zurückgekehrt sind, wo sie 
wiederum die Leibeigenschaft vorfinden? Meine Herren, die Einwände, die man 
betreffs der mecklenburgischen Frage und der Anträge, die darin gestellt sind, früher 
gemacht hat, treffeu in diesem Augenblick meiner Ansicht nach nicht mehr 
Nu#alien Ul- 16
	        
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