262 Vertrag mit Baden und Hessen.
mal in Preußen den Genuß der Preßfreiheit erhalten können, obgleich er uns
durch die preußische Verfassung garantirt war. Der bloße Satz: „Die Cenfur
darf nicht eingeführt werden“, hat uns in Preußen nicht einmal daror ge-
schützt, daß am 1. Juni 1863 durch eine Oktroyirung der Versuch gemacht
werden konnte, das ganze Preßwesen wieder abhängig zu machen von dem
administrativen Belieben, ron dem Konzessionswesen. Meine Herren, die
Gewerbeordnung enthält heute dafür allerdings keine Handhabe mehr, aber
diese Gewerbeordnung ist ebenso veränderlich wie alle übrigen Gesetze, und
die Möglichkeit, die Gesetzgebung künftig so schlecht zu gestalten, daß man
allerdings davor graulich werden kann, — um mich eines Auedruckes zu be-
dienen, der hier gefallen ist, — erkennen wir Alle au. Für einen so außer-
ordentlich delikaten Gegenstand, wie die Preßfreiheit, kann es der Garantien
nicht genug geben. Wenn ich mich nun frage, weshalb überhaupt Gesctze
über die Presse gegeben werden und wenn ich dann sehe, daß überall, wo
die Gesetzgebung sich um die Presse bekümmert hat, stets und ausnahmelos
— es sei denn in Zeiten der Staatsauflösung und der großen Völkerstürme
— ihr Zweck die Reaktion gewesen ist, dergestalt das Preßgesetz und Preß-
beschränkungsgesetz allemal dasselbe ist, (Sehr richtig!) so glaube ich, sollen
wir auch nach dem schwachen Mittel — ich erkenne die Schwäche an, aber
es ist doch ein Mittel — greifen, welches der Abgeordnete Duncker vor-
schlägt. Ich werde deshalb für den Antrag des Herrn Abgeerdneten Duncker
stimmen, und kann, wenn dieser abgelehnt wird, für die Erweiterung der
Kompetenz, die dann nach meiner Auffassung nur eine Kompetenz zur Be-
schränkung der Freiheit ist, nicht stimmen. (Beifall.)
Bebel'): Meine Herren, ich erlaube mir nur noch einige wenige Worte
zu dem Antrage des Herrn Abgeordneten Duncker und Genossen zu sagen.
Meine Bedenken gegen die Kempetenzerweiterung habe ich bereits gestern in
der Generaldebatte dargelegt; ich ging im Wesentlichen von dem Gedanken
aus, den die Abgeordneten Duncker und Becker dargelegt haben. Nach meiner
und nach meiner Parteigenossen Auffassung ist es eine Beschränkung der be-
stehenden Preß= und Vereinsgesetze, die gemacht werden soll im reaktionären
Sinne; dabei gebe ich den Herren Abgeordneten Duncker und Dr. Hirsch
vollständig Recht, daß dieselbe im Wesentlichen gegen unsere Partei gerichtet
ist, und, meine Herren, die Thatsachen, die wir in der letzten Zeit erlebt
haben, bestätigen nur diese Auffassung. Als unsere Parteigenossen in Braun-
schweig u. s. w. verhaftet wurden, hat die ganze liberale Presse in Deutsch-
land von so und so viel hundert und tausend Zeitungen, mit Ausnahme ven
einigen wenigen, nicht einmal ein Wort des Bedauerns gehabt, obgleich, wie
am letzten Sonnabend auch hier konstatirt worden ist, diese Verhaftungen
ungerecht und ungesetzlich waren und durch keinen Paragraphen des betreffeu-
*) St. B. S. 120 r. o.