272 Vertrag mit Baden und Hessen.
ein Deutsches Volk? Sie sind also „Vertreter des deutschen Volkes und an
Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.“ Aus diesem Artikel ergiebt
sich mit Naturnothwendigkeit, daß alle Angelegenheiten, die in der Deutschen
Gesetzgebung zu erledigen sind, auch gemeinschaftlich sein müssen. Wenn
hier nun einzelne Interessen besonders rorausgesetzt werden, so muß man
sehr unterscheiden, welche gemeint sein können. Es giebt finanzielle Unter-
schiede, in Beziehung auf die man zugeben könnte, daß gewisse Staaten
ein geringeres Interesse daran hätten. Trotzdem ist eine Bestimmung, die
sich für ein Zollparlament rechtfertigt, deswegen noch keineswegs für unser
künftiges Deutsches Bundesparlament gerechtfertigt. Denken Sie sich das
Schauspiel, daß die bis dahin vollberechtigten Mitglieder um einer einzelnen
Diskussion willen ausgeschieden und möglicher Weise die unergquicklichsten
Debatten über die Frage selbst gepflogen werden, ob eine Angelegenheit einen
einzelnen Staat nicht betrifft. Diese Einrichtung wird so tief einschneiden
in die gemeinschaftliche Wirksamkeit, die für die Mitglieder des Reichstags
vorausgesetzt ist, daß ihre Gefahr nur durch ihre, ich kann es nicht anders
sagen, lächerliche Seite überwogen werden möchte. Ich glaube sogar, man
hofft namentlich auf die Lächerlichkeit, die eintreten würde, im Fall jeden
Augenblick ein Theil der Versammlung ausgeschieden werden könnte, wenn
man sich der Hoffnung hingiebt, daß eine solche Bestimmung bald beseitigt
werden würde. Ich kann das nicht glauben, ich kann am allerwenigsten an-
nehmen, daß ein solcher Standpunkt in einem Augenblicke angenommen wer-
den sollte, wo es die Schaffung eines einigen deutschen Vertretungskörpers
gilt. Deswegen, meine Herren, beantrage ich, trotzdem ich weiß, daß ge-
wisse finanzielle Rücksichten bei einem Zollparlamente dafür sprechen, eine
solche Bestimmung beizubehalten, für das künftige Deutsche Parlament die
Streichung dieses Satzes.
Micquel'): Ich bedauere, für den Antrag des Abgeordneten Freiherrn
von Hoverbeck nicht stimmen zu können. Ich glaube, wenn man einmal in
die Verfassung Angelegenheiten zuläßt, die nur einzelne Theile angehen, —
wenn man einmal in die Verfassung die Bestimmung aufnimmt, daß ge-
wisse Gegenstände nicht von gemeinschaftlichem Interesse seien, so ist diese
Bestimmung daraus die nothwendige Konsequenz. Allerdings wäre es riel
richtiger, daß auch diese Gegenstände zur gemeinschaftlichen Aufgabe der
Nation gezählt worden wären. Wenn man aber das nicht anfechtet, daß
wir z. B. Bier und Branntwein davon ausgenommen haben, so wird man
auch unmöglich es zulassen, daß Abgeordnete, die dabei kein Interesse haben,
ihre Wähler zu vertreten, — daß diese darüber mit entscheiden. Dann aber
allerdings habe ich doch die leise Hoffnung, daß die Neigung der süddeutschen
Volkerertreter und der süddcutschen Staaten, solche besondere Separatinteressen
) St. B. S. 124 l. m.