Verfaffung. Art. 40. Delbrück. Miquel. 281
fuͤhren: es enthält der Zollvereinsvertrag die Bestimmung, daß, trotzdem
daß die Zollvereins-Einnahmen gemeinschaftlich sind, die Strafgefälle, die
Erlöse aus Koufiskaten den einzelnen Staaten verbleiben als Früchte der
Jurisdiktionen; es ist ferner in diesen Zollvereinsverträgen das Begnadi-
zungs= und Strafverwandlungsrecht in Fällen von Zollvergehen den Re-
gierungen der einzelnen Staaten vorbehalten. Es find das Bestimmungen,
welche, wenn man sie ändern wollte, wie ich glaube, unzweifelhaft als ver-
fafsungsmäßige zu behandeln sein würden. Ich führe hier ein paar Bei-
spiele an, um hierdurch anschaulich zu machen, welcher Gedanke bei der
Redaktion des Artikels obgewaltet hat. Alle die einzelnen Bestimmungen,
die nach meiner Ansicht unter den Artikel 78 fallen würden, aufzuführen,
bin ich im Augenblick nicht im Stande, und ich glaube auch, daß es in-
sofern nicht von entscheidendem Interesse für die Beschlußnahme sein würde,
als ich in dieser Beziehung, und wenn ich auf Einzelnheiten dieser Art
eingehen wollte, doch immer nur meine persönliche Meinung sagen könnte.
Migquel"'): Meine Herren, die Erklärung des Herrn Präsidenten des
Bundeskanzler-Amts kann uns eigentlich doch nur sehr wenig befriedigen.
Wir haben hier also eine Bestimmung, nach welcher Aenderungen an den
Zollvereinsverträgen theilweise mit einfacher Mehrheit im Bundesrath und
im Reichstage, theilweise mit einfacher Mehrheit im Reichstage und aus
Dreiviertel Stimmen im Bundesrath beschlossen werden können. Jetzt
Fgiebt der Herr Präsident des Bundeskanzler-Amtes zu, daß er selbst im
Augenblicke nicht im Stande sei, vollständig erschöpfend diejenigen Bestim-
mungen der Zollvereinsverträge zu bezeichnen, welche als verfassungsmäßig
anzusehen, deren Aenderung daher unzulässig wird gegen den Protest von
ein Viertheil der Stimmen. Wie wird sich nun dies Ding in Zukunft
entwickeln, wenn heute schon die Frage so zweifelhaft ist, daß der ausge-
zeichnetste Kenner des Zollvereins und der Zollvereinsgesetze und Verträge
nicht einmal sich selbst vollständig klar ist. Welche Masse von Streitig-
keiten und Zweifeln werden in Zukunft über diese Frage entstehen? Meine
Herren, ich gebe zu, daß es momentan sehr schwierig sein mag, und bei
der in der Natur der Dinge liegenden großen Eile, womit diese Verträge
zu Stande gebracht sind, jedenfalls durchaus erklärlich und entschuldbar ist,
wenn diese Frage nicht gelöst wird. Ich meine aber, auf die Dauer kann
die Frage, welche Bestimmungen als verfassungsmäßige anzusehen find
und welche als einfache Gesetze, nicht dunkel und zweifelhaft bleiben. Ich
glaube, es muß dem nächsten Deutschen Reichstag darüber gewissermaßen
ein Vervollständigungsgesetz vorgelegt werden, wonach klargelegt wird, was
als Theil der Verfassung und was als Gesetz angesehen wird.
*) St. B. S. 177 l. m.