Verfafsung. Art. 78. Hoverbeck. Wehrenpfennig. 283
moͤglich, daß der Reichstag hier eine solche Verfassungsveränderung be-
schließt. Jch würde es dann aber auch für einen Segen ansehen, wenn
die Preußische Regierung durch den Reichstag und das Preußische Volk zu
einer solchen Aenderung gezwungen wird. Meine Herren, es ist aber noch
ein anderer wichtiger Umstand, der hierbei zu bedenken ist. Wo wollen
Sie bei diesen Aenderungen Halt machen? Bei der Dreiviertelmajorität?
Oder wollen Sie zu der Bestimmung übergehen, wie sie im baierischen
Vertrage vorhanden ist, wonach 14 Stimmen entscheidend sind für Beibe-
haltung der alten Einrichtungen. Daß diese 14 Stimmen gerade die drei
Königreiche bedeuten, darüber macht sich hier wohl Niemand eine Illusion.
Wenn bisher die Kleinstaaterei in Deutschland ein gefährliches Element
gewesen ist, so wird es — Gott sei Dank — jetzt nicht mehr sein. Hüten
Sie sich aber, meine Herren, daß jetzt nicht die Mittelstaaterei ein viel
fester begründeter, ein viel gefährlicherer Fluch für Deutschland werde, als
es die Kleinstaaterei jemals gewesen ist. Meine Herren, es ist scheinbar
ein Opfer Preußens gegen die anderen Staaten, das in Bezug auf die
Vertretung Preußens in dem Antrage liegt, es bei dem alten Verhältniß
zu belassen, wie es die Norddeutsche Bundesverfassung hat. Ich freue
mich, daß ich Gelegenheit habe, gerade als Bürger des Preußischen Staates
Ihnen den Vorschlag zu machen, darum unbekümmert sich an die alte und
viel besser bewährte Bestimmung der Norddeutschen Bundesverfassung zu
halten.
Dr. Wehreupsennig in Berlin (Fürstenthum Waldeck)“): Meine
Herren, wenn ich gewußt hätte, daß wenigstens eine Anzahl von Mit-
gliedern dieses Hohen Hauses sich, wie es jetzt geschehen ist, zu dem An-
trage vereinigen würde, den Artikel 78 in seiner alten Form der Zwei-
drittel-Majorität zu belassen, so würde ich mich sehr gern durch meine Un-
terschrift angeschlossen haben. Ich betrachte gerade diese Aenderung unserer
alten Verfassung für die allerbedenklichste trotz der vielen Bedenklichkeiten,
die wir heute schon ruhig haben hindurchschlüpfen lassen müssen, weil ja
auf den Meisten von uns der Druck zweier großen Thatsachen liegt, ein-
mal der, daß Verträge von solcher Bedeutung, fertig durch die Unterschrift
der Rathgeber der Präsidialgewalt, vor uns liegen, und zweitens der Druck
der anderen großen Thatsache, die uns durch die mäeutischen Künste des
Herrn Abgeordneten Dr. Friedenthal, (Heiterkeit) vorgestern") glücklich kund
zeworden ist. Meine Herren, ich bitte, Sie daran erinnern zu dürfen,
daß diese Bestimmung der Dreiviertelmajorität, obwohl sie steht in dem
Vertrage mit Baden und Hessen und obwohl sie ferner steht in dem Ver-
jage mit Würtemberg, doch gar nichts zu thun hat mit Baden und
bessen, und, wenn ich recht unterrichtet bin, auch an sich gar nichts zu
*) St. B. S. 128 l. o.
S. oben S. 150.