Verfassung. Art 78. Lasker. 289
Vaiern verhandeln, den Eintritt Baierns anstreben, heißt von vornherein,
— darüber machen wir uns keinen Zweifel — die Kompetenzerweiterung
an andere Bedingungen knüpfen als diejenigen, welche für den Norddeut-
schen Bund gegolten haben. Auch im Interesse Preußens würde ich nicht
die Mäglichkeit einer Verfassungsveränderung wollen, ohne daß Preußen
seine Zustimmung giebt. Dabei denke ich nicht an Kempetenzerweiterungen;
in dieser Beziehung würde ich wegen Preußens beruhigt sein. Aber ich
denke an die Grundlagen der Verfassung, welche an Preußen als Präsidium
diejenige Machtstellung übertragen, welche allein dem Bunde Werth giebt;
und da möchte ich auch nicht theoretisch die Möglichkeit feststellen lassen,
Preußen in einer dieser Grundbedingungen zu überstimmen, denn dies
bieze, in der Verfassung selbst die Möglichkeit zur Auflösung des Bundes
geben, und eine solche Verfassung darf nimmermehr existiren. Darum,
meine Herren, habe ich daran gedacht, die Stimmenzahl für die Abwehr
den Verfassungsänderungen auf 17 festzustellen und thatsächlich zu be-
wirken, daß Preußen das Veto erhält und daß eine gleiche Stimmenzahl
anderer Staaten von gleicher Wirkung sei. Ich bin heute noch der Ueber-
jzeugung, das der Rückgriff auf 17 Stimmen die Sache am Richtigsten
getroffen habe und alle Seiten befriedigen werde. Was uns am meisten
ingstigt, ist eine tendenziöse Verschwörung der drei Königreiche gegen die
veitere Ausbildung der Verfassung. Wir werden später Gelegenheit finden,
diese Frage zu diskutiren. Gedrängt zu der Untersuchung, ob der Unter-
schied zwischen drei Viertel oder Siebzehn so groß sei, daß er absolut ver-
reint werden müsse, haben wir, die wir uns entschlossen haben, den Ver-
kag mit Baden, Hessen und Würtemberg in allen übrigen Punkten anzu-
nehmen, gegen die höhere Zahl von drei Viertheilen keinen Widerstand er-
heben. Zur Beruhigung der Nation möchte ich aber die Frage aus ihrer
ebstrakten Allgemeinheit in das Konkrete bringen. Ist denn ein Bedürf-
miß zu einer absoluten Kompetenzerweiterung vorhanden? Wenn ich das
gegenwärtige Bedürfniß erforsche, so tritt mir vor Allem die Ausdehnung
dme Kempetenz auf das Ciilrecht entgegen, ferner das Bedürfniß nach ge-
wissen Organisationen, bei denen noch zweifelhaft ist, ob sie nicht schon im
Beze des Gesetzes, oder nur auf dem Wege der Verfassungsverändernng
eingeführt werden dürfen. Die Zahl aber, — wenn Jeder seine eigenen
Bünsche sich vergegenwärtigen will, — die Zahl der Kompetenzerweiterungen
ist nicht von solchem Umfang und ihr Inhalt nicht von solcher Art, daß
ich nicht die Hoffnung hegen sollte, es werde auch bei dem Erforderniß
ciner größeren Mehrheit im Bundesrathe ihr Durchdringen zu bewirken
sein. Aus diesem Grunde entschließe ich mich dafür, die Dreiviertel-
majerität anzunehmen in dem Bewußtsein, daß wir dadurch eine schwere
Aeit übernehmen. Ich habe mir bereits in der allgemeinen Rede zu den
Verägen die Bemerkung erlaubt, daß nicht so sehr die einzelnen Bestim-
mungen dieser Verfassung, als vielmehr das Gesammtverhalten der Re-
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