Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

302 Vertrag mit Baden und Hessen. 
druck gebraucht, daß diejenigen Vorschriften der Verfassung, durch welche be- 
stimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältniß zur Gesammt- 
heit festgestellt werden, nur mit Zustimmung des berechtigten Bundesstaats 
ubgeändert werden können. Meiner Meinung nach wird die Frage, was 
man unter diesen Rechten versteht, noch später zur Auslegung Veranlassung 
geben müssen und ich will heute nicht versuchen, diese Rechte einzeln auf- 
zuzählen. Im Allgemeinen werden wir sie, nach der Natur der Ausnahmen, 
restriktiv interpretiren müssen. Dagegen müssen wir uns heute schon ver- 
ständigen, in welcher Weise die Zustimmung des berechtigten Bundesstaats 
gedacht wird. Ich habe bereits in den allgemeinen Worten zu den Ver- 
trägen meine Ansicht ausgedrückt, daß unter dieser Zustimmung nur verstan- 
den werden kann die Stimme des berechtigten Staates im Bundesrathe, so 
daß ein Rückgriff auf die legislativen Faktoren des besonderen Staates nicht 
mehr nothwendig ist. Die Sache scheint mir aber so außerordentlich wichtig, 
daß ich die Frage an den Herrn Präsidenten des Bundeskanzleramts richte, 
ob er in der Lage ist, uns eine authentische Interpretation über den Willen 
der Vertragschließer zu geben, oder sich mindestens auszudrücken, was er selber 
darunter verstanden hat. Wir werden kaum umhin können, in irgend einer 
Weise zu erklären, sofern das Hohe Haus damit einverstanden ist, daß wir, 
als ein Theil derjenigen Faktoren, welche die Verfassung zu Stande bringen, 
unter dieser Bestimmung verstehen: „die Stimme des berechtigten Staates im 
Bundesrathe."“ Diese Interpretation wird unbestrittene Geltung erlangen, 
wenn kein gleichberechtigter Jaktor gegen sic Widerspruch erhebt. Um aber 
zu wissen, ob ein solcher Dissens gegenwärtig vorliegen mag, erlaube ich 
mir den Herrn Präsidenten des Bundeskanzleramts um Auskunft zu bitten. 
Präsident des Bundeskanzleramts, Staatsminister Delbrück"): Meine 
Herren, eine authentische Interpretation kann ich hier nicht geben; ich kann 
nur sagen, daß ich unter dieser „Zustimmung“ nichts anders verstanden habe, 
als die Zustimmung im Bundeörathe und daß mir bieher eine entgegen- 
stehende Auffassung nicht bekannt geworden ist. 
Frhr. v. Hoverbeck"'): Meine Herren! Wenn ich auch ein ähnliches 
Bedenken gehabt habe, wie der Herr Abgeordnete Lasker, so war es doch der 
geringere Theil des Anstoßes, den ich an diesem Punkte genommen habe. 
Ich glaube, daß die Aufklärung des Herrn Präsidenten des Bundeskanzler- 
amtes möglichst vollständig die Bedenken des Herrn Abgeordneten Lasker er- 
ledigt; daß aber auch die Sache selbst so auf der Hand liegt, daß diese Er- 
klärungen als eine natürliche und angemessene wohl auch von den anderen 
Faktoren, die dabei mitzusprechen haben, wird anerkannt werden. Mein Be- 
*) St. B. S. 134 l. o. 
“) St. B. S. 134 g. m.
	        
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