Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

338 Verträge mit den süddeutschen Staaten. 
mir wohl Niemand bestreiten — von meinem Standpunkte aus bekämfen 
müssen. Aber durchaus logisch ist die Handlung Preußens gewesen: es warf 
Oesterreich, welches ihm im Wege stand, welches es hinderte die preußische, 
mechanische Einheit in Deutschland zu errichten, aus Deutschland hinaus und 
machte sich einen Theil der übrigen Fürsten zu Vasallen. Der Anlauf reichte 
allerdings nur bis an den Main, nicht über den Main hinaus. Aber so- 
weit der Norddeutsche Bund geschaffen wurde, war allerdings in Wirklichkeit 
eine Einheit hergestellt. Wie neulich von meinem Gesinnungsgenossen Bebel 
bier ausgesprochen ward, hat die Norddeutsche Reichsverfassung jedenfalls das 
Verdienst, daß sie aus einem Gusse ist; sie ist nach der Person des Staatsmannes, 
der ihr Schöpfer ist, zugeschnitten; es waltet in ihr der Geist dieses Mannes 
und man kann ihr die Auerkennung, daß sie ein durchaus logisches Produkt 
der Machtverhältnisse ist, nicht venveigern. Aber, meine Herren, um diese 
Verfassung aus einem Gusse herzustellen, war es nothwendig, daß die Fürsten, 
welche den Bestrebungen Preußens sich widersetzt hatten, besiegt wurden. 
Der einzige irgendwie bedeutende Monarch, den Sie in dem Nordbund haben, 
ist bei Gitschin besiegt worden, der König von Sachsen. Blos ein besiegter 
Fürst wird sich zum Vasallen eines audern herabwürdigen. Jetzt aber stchen 
die Sachen anders. Als nothwendige Folge des Jahres 1866 ist das Jahr 
1870 gekommen. Ist es mm mäglich heute das Werk von 1866 fortzu- 
setzen? Damals hatten Sie besiegte Fürsten, die Sie zu Vasallen machen 
konnten, heutzutage stehen die übrigen deutschen Fürsten Ihnen nicht als 
Besiegte gegenüber, sondern sie stehen als Mitsieger neben Ihnen. Die 
Fürsten, die auf der Seite der preußischen Monarchie gekämpft haben, die 
wesentlich zu dem Siege der preußischen Waffen beigetragen haben, diese 
Fürsten können unter keinen Umständen zu Vasallen herabgedrängt werden;: 
und das Produkt dieser einfachen Thatsache, die wohl Keiner hier wird ab- 
leugnen können, ist die sogenannte neue Reichsverfassung, welche uns vorge- 
legt worden ist. Es ist das nicht eine Verfassung, welche durch den eisernen 
Willen des Mannes der Politik von Blut und Eisen den übrigen deutschen 
Fürsten aufgezwungen worden ist, nein, es ist ein Kompromiß der von der 
Freußischen Monarchie mit den übrigen deutschen Fürsten vereinbart worden 
ist, um dem deutschen Volke, dem kein wirklicher Erfolg geboten wird, we- 
nigstens einen Scheinerfolg zu bieten. Und da die Vereinbarung zwischen 
Gleichberechtigten und in gewisser Beziehung gleichmächtigen Faktoren statt- 
gefunden hat, so konnte eine einheitliche Verfassung nicht daraus hervorgehen. 
Im Gegentheil, in die Einheitlichkeit, welche Sie an der alten Noerdbund- 
Verfassung haben, ist ein Keil hineingctrieben, sie ist gebrochen. Und Die- 
jenigen, welche hier das strenge Einheitsprinzip verfolgen, haben allerdings 
Recht gehabt zu erklären, daß diese Verfassung ihnen schlaflose Nächte ver- 
ursacht bat. Sie haben durch diese neue Verfassung den Einheitsstaat in 
der HSorm. wie er in der Norddeutschen Verfassung gegeben war, vollständig 
zerstbrt. Auf eine nähere Kritik der Verträge will ich mich hier nicht ein-
	        
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