Dritte Berathung. Generaldebatte. Schulze. 343
Hier erlauben Sie mir nur, einen Eindruck geltend zu machen, der für
mich das Ergebuiß der ganzen Debatte ist. Ich habe, wie schon der Vor-
redner mit Recht bemerkt hat, von allen Seiten große Bedenken gefunden;
man hat sich mit vielen der Dinge, die uns hier geboten worden, nicht
einverstanden erklärt; man hat sie nicht für Aeuderungen geachtet, die der
nationalen Entwickelung des deutschen Volkes im Ganzen oder im Ein-
zelnen irgendwie entsprechen. Und, meine Herren, in einer Rede, die ich
von seinem Standpunkt aus für eine seiner bedeutendsten parlamentarischen
reistungen halte, hat der Herr Abgeordnete Wagener, in meinen Augen
wenigstens, die größten und schwersten Bedenken gegen die Verfassung mit
besonderer Klarheit und Konsequenz zur Geltung gebracht. Es war, meine
verehrten Herren, der Passus von der Autorität im Gegensatz zu unserem
Verfassungsparagraphen. „Der Aberglaube an solche papierne
Verfassungsbestimmungen!" — Sie entsinnen sich ja alles dessen,
was er in der größten Konsequenz seines uns bekannten Standpunktes
nus entwickelt hat — „der Aberglaube an die Kraft und Bedeutung solcher
Verfassungsbestimmungen“ solle uns nicht einnehmen, dagegen zu stimmen.
Ich glaube, meine Herren, gründlicher konnte man die Verwerflichkeit dieser
Verfassungsbestimmungen nicht fignalisiren, als wenn man eben das Da-
gegenstiimmen blos mit dem Aberglauben an ihre Bedeutung, das Da-
fürstimmen blos mit der Ueberzeugung von ihrer praktischen Nichtigkeit
zu motiviren sucht. Die Autorität, die dahinter stehende Macht des
künftigen Kaisers, —so hörten wir, — die würde schon, wenn irgend wie nach
einer für unsere nationalen Interessen gefährlichen Seite hin von diesen
Reserraten Gebrauch gemacht werden sollte, den nöthigen Nachdruck üben,
um Alles in den rechten Weg zurückzuführen. — Wir werden dem Herrn
Abgeordneten in Vielem beistimmen, was er von der Autorität sagte. Er
führte die Worte unseres berühmten Geschichtsschreibers an, und ich habe
gegen diesen Satz meinerseits nicht das Geringste einzuwenden. Autorität
muß darnach immer begründet sein auf wahrem Verdienst; und, meine
Herren, wie man auch denken mag im Einzelnen, ich glaube, die große
Majorität dieser Versammlung stimmt mit ihm auch darin überein, daß
das Verdienst der Präfidialmacht Preußen um die gegenwärtige Lage, ganz
besenders dem Nationalfeinde gegenüber, wohl kaum zu bestreiten sein
möchte. Aber, meine Herren, da stoßen wir gleich auf den Konflikt zwischen
Recht und Autorität, und hier erlauben Sie mir einmal, die Grenze
der Sphäre, wo die Autorität in staatlichen wie in anderen Dingen ihre
derechtigte Wirkung hat, und den Punkt, wo sie mit dem Recht zusammen-
stsbt und deshalb ihr berechtigter Einfluß aufhört, vor Ihnen klar zu
legen. Gewiß hat auch in unserer Bundesverfassung die Autorität, also
speriell der Präsidialmacht einen berechtigten Spielraum in allen Dingen,
wo es sich um einen meralischen Einfluß auf Ansichten und Ueberzeugungen
handelt, wie sich diese zum Beispiel bei Abstimmungen im Bundesrathe