Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Generaldebatte Über den badisch-hessischen Vertrag. Mende. 355 
welche sie heute berathen, immer aufs Neue jener citirte Rechtsgrundsatz 
elgegengehalten werden, daß nämlich: was nicht von Anfang zu 
Recht besteht, niemals zu Recht bestehen oder durch die Zeit 
zeheiligt werden könne. Wenn aber, meine Herren, Sie den Staats- 
streich, von welchem ich spreche, und welchen Sie meiner Ueberzeugung 
nach im Juli dieses Jahres de jure wie de facto machten, ausnutzen, 
nicht gegen die Rechte des Volkes und zur Unterdrückung derselben, sondern 
um die Rechte der Nation zu vertheidigen, die Volksrechte zu wahren, das 
Recht der Nation, deren Vertreter Sie sind, — dann, meine Herren, wenn 
Sie das thun, befinden Sie sich in absoluter Kompetenz. Man hat diesem 
Hause den wiederholten Vorschlag gemacht, eine andere Kompetenz zu 
schaffen, ein anderes Haus wählen zu lassen, welches, unmittelbar von der 
Nation ernannt, die Rechte einer konstituirenden Versammlung habe, und 
meine Herren, man hat Ihnen damit einen üblen Rath gegeben. Wir 
stehen inmitten der Verhältnisse, welche nun einmal obwalten, unter dem 
Druck der gegenwärtig bestehenden Gesetze, hier insbesondere des Wahlge- 
setzes, welches die Militärs von der Wahlberechtigung ausschließt; wir 
stehen, meine Herren, unter dem Duucke dieses Gesetzes vor der Unmög-= 
lichleit, die Majorität der Wahlberechtigten im Volke theilnehmen lassen 
zu können an der Wahl. Wir haben, meine Herren, vor Kurzem in einem 
offfciösen Blatte gelesen, es befänden sich etwa drei Millionen Männer 
unter den Waffen. Nun, meine Herren, nicht viel mehr als drei Millionen 
Wähler hat Preußen. Wenigstens nach den statistischen Nachweisungen, 
welche mir zu Gesichte gekommen sind und welche ich einzusehen Gelegen- 
beit hatte, hatte Preußen noch vor wenigen Jahren nicht viel mehr als 
eine Urwählerzahl von 3,500,000 oder genau 3,661,393 Urwähler. Wie 
unn, meine Herren, wenn jenes officiöse Blatt Recht hat, wenn eben 
nahezu drei Millionen deutscher Wähler unter den Waffen sind, wie, 
meine Herren, soll man eine konstituirende Versammlung wählen, welche 
eine größere Kompetenz haben würde, als die gegenwärtige; wie, meine 
Herren, soll man sie wählen, wenn von den Urwählern speciell Preußens 
am eine ganz geringe Minorität übrig geblieben und die Verhältnisse im 
zanzen übrigen Deutschland dieselben sind; wie, meine Herren, soll man 
eine konstituirende Versammlung wählen, welche mit höherem Recht als die 
gegenwärtige für sich in Anspruch nehmen kann, eine wahrhafte Versamm- 
lung von Volksvertretern zu sein? Denn lediglich um eine Vokssache han- 
delt sich's. Der Zweck, welchen diese Verträge, diese Verfassungen haben, 
e#r kann ausschließlich sein ein nationaler, ein volksthümlicher, er kann aus- 
schließtich und allein — und das liegt schon in dem Sinn des Wortes, 
mit weschem man diese Verfassungen und Verträge bezeichnet, — er kann. 
antschließlich und allein ein volksthümlicher, er kann nur sein der Zweck, 
Deutschlands Mission zu erfüllen, Deutschlands Mission in historischem 
Siune, Deutschlands Mission im Weltsystem. Und die erste Kondition 
23“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.