Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

358 Verträge 1870. Dritte Berathung. 
uns entgegen gehalten werden können: es ist nicht immer die Verbindung 
mit Preußen, in welcher eine gerechte Sache mit Nothwendigkeit vertheidigt 
werden muß, es ist nicht die einbeitliche Aktion, sondern es kann auch sein 
ein ganz partikulariistisches und dennoch gerechtes Interesse, eine nicht- 
preußische und dennoch gerechte Idee, welche uns siegen machte. Es fällt 
mir eben ein — um den Einwand zu beantworten, welchen Sie erheben 
möchten — etz fällt mir eben ein der Ausspruch eines recht alten aber sehr 
nationalen Dichters, des Gryphius: „Was jetzund blüh't, kann noch vor 
Abend ganz zertreten werden!“ Und so, meine Herren, was jetzt blüht, von 
dieser im Jahre 1870 errungenen Einheit, alles Das, meine Herren, es 
kann sehr bald ein Ende nehmen; es kann sehr bald überwundener Stand- 
punkt sein, und wir stehen dann wieder vor der Frage: wie schafft sich die 
Basis für die Einheitlichkeit der Nation? Man hat uns Angesichts der 
Verträge und der Ausnahmen, welche sie konstituiren, gesagt, daß die Aus- 
nahmsgesetze, die Zurückhaltungen Baierns sehr schnell überwunden werden 
können — durch die Bundesgesetzgebung; aber wenn die Verfassung so, 
wie sie besteht, acceptirt wird, dann, meine Herren, wird es mit der Ueber- 
windung des Widerstrebens Baierns seine Schwierigkeiten haben. Baiern 
bat bis jetzt durchgesetzt, daß, wenn es sich um spezifisch baierische Fragen 
handelt, nur die baierischen Mitglieder dieses Hauses votiren 
dürfen. Baiem hat bis setzt durchgesetzt, daß im Bundesrath eine nichts 
weniger als bedeutende Zabl von Mitgliedern das Recht des Veto's haben. 
(Vierzehn!) Baiern hat bis jetzt auch durchgesetzt, meine Herren, die Freund- 
schaft mit der künftigen deutschen Kaiserkrone. Und die deutsche Kaiserkrone 
hat ein absolutes Veto, sie wird, meine Herren, — mag es sein auf Grund 
offizieller und geheimer Verträge, mag es sein auf Grund konventioneller 
Bedenken, — sie wird, so lange es die Krone Baiern nicht wünscht, meiner 
Ueberzeugung nach wahrlich nicht sehr bereitwillig sein, die Ausnahmen, 
welche Baiern in dem uns vorliegenden Vertrage konstituirt hat, aufzuheben. 
Und dennoch! Wir wollen heute eine Konstitution berathen: es liegt uns ein 
Entwirf der Verfassung vor und ich frage mich nach dem Begriff einer 
Verfassung, ich frage mich nach dem Konstitutionsbegriff. (Große Unruhe.) 
Wenn ich, meine Herren, diese Frage, welche eine Frage dieser Natien ist, 
die so groß sich bewiesen hat, in einer Weise beantworten soll, welche der 
Sache, von welcher ich spreche, ebenbürtig ist, wenn ich, meine Herren, diese 
Frage in einer würdigen, in einer diesem großen und welthistorischen Mo- 
ment der definitiven Berathung der deutschen Verfassung entsprechenden 
Weise beantworten soll, so gestatten Sie mir, daß ich mich der Worte eines 
Größeren, denn ich bin, bediene: (Fortdauernde Unruhe. Rufe: Schluß, 
Glocke des Präsidenten.) 
Präsident: Ich wiederhole meine Bitte um Rube. ielseitige Rufe: 
Schluß!)
	        
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