388 Außerordentlicher Landtag.
handlungen in der baierischen Kammer in Erinnerung rufen, die beim Aus-
bruch des Krieges über den casus foederis und Aehnliches gepflogen wur-
den, so werden Sie im Allgemeinen nicht überrascht sein, daß gerade dieser
Staat sich sehr viel Besonderes für sich bedungen hat. Schon damals wurden,
für den Fall des nun eingetretenen Sieges der deutschen Waffen, weit-
gehende partikularistische Rechte in Aussicht genommen. Ich erinnere an
die damals aus maßgebendem Munde gesprochenen Worte: „Erfüllen
wir den Allianzvertrag treu und redlich, dann werden wir nach einem
glücklich geführten Kriege mit der Behauptung gehört werden müssen, daß
es hicran genüge, daß die Sicherheit Deutschlands durch die Allianzverträge
vollständig gewährleistet sei. In dieser Schärfe sind nun die Dinge aller-
dings nicht verlaufen, und auch in Baiern hat sich nach und nach die Ueber-
zeugung Bahn gebrochen, daß es besser sei, einem großen Staatsganzen als geach-
teter Theil anzugehören, als isolirt ein staatliches Scheinleben zu führen. Ander-
seits giebt's in Baiern freilich nach wie vor Stimmen, die dem Letztern in
partikularistischer Verblendung das Wort reden und Leute, die es gern sähen,
wenn wir, statt zu einem einigen und mächtigen Deutschland zu erstarken, in
die Zeiten des alten Bundestags zurückfallen würden. Dieser Kampf der
Meinungen hat leider in dem baierischen Vertragswerke einen nur zu deut-
lich sprechenden Ausdruck gefunden, während man doch wahrlich zu dem
Glauben berechtigt war, diese ungehener große Zeit mit ihren fruchtbaren
Opfern für die Einigung Deutschlands werde auch in Baiern gräößere An-
schauungen hervorrufen. Ich beginne nun mit der langen Reihe der baieri-
Vorbehalte. Man hat zunächst eine neue Redaktien der künftigen Bundes-
verfassung mit Baiern vereinbart. Schon bei diesem Anlasse ist Manches
in die Versassung hineingekommen, was nicht gerade als eine Verbesserung
derselben zu betrachten ist. Baiern hat hier nicht allein für sich, sondern
auch für die beiden weiteren Königreiche Vorrechte bedungen, die nach dem
einstimmigen Dafürhalten Ihrer Commissien die dem jungen Deutschland so
nothwendige Kraft der Centralgewalt und die naturgemäße Beweglichkeit der
Verfassung wesentlich zu gefährden geeignet sind. So hat sich Baiern in
Art. 8 der Verfassung einen ständigen Sitz in dem Ausschusse für das
Landheer und die Festungen vorbehalten. Außerdem soll in dem Bundes-
rathe aus den Bevollmächtigten der Königreiche Baiern, Sachsen und Wür-
temberg, unter dem Vorsitze Baiern, ein Ausschuß für die auswärtigen An-
gelegenheiten gebildet werden. Dieser Ausschuß ist der einzige, der bloß
aus drei Mitgliedern besteht; die sämmtlichen übrigen Ausschüsse bestehen
aus fünf, und es liegt die Frage nahe, warum gerade in diesem diplomatischen
Ausschusse nur drei Mitglieder sitzen. Ebenso nahe liegt aber auch die Antwort,
wenn man bedenkt, daß gerade Baiern, Würtemberg und Sachsen diesen
Ausschuß bilden. Dieses diplomatische Organ Deutschlands hat freilich, wenn
man daran denkt, daß der Schwerpunkt der eigentlichen Leitung der deutschen.
Geschicke in sehr sicheren Händen ruht, nicht riel zu bedeuten; gerade deß-