390 Baden. Außerordentlicher Landtag.
genstand nicht auf das Königreich Baiern. In gleicher Weise finden wir
Beschränkungen bezüglich des Aufsichtsrechts über das Post= und Telegraphen=
wesen. Die über das Eisenbahnwesen handelnden 5§ 42 bis 46 der Ver-
fassung sind auf das Königreich Baiern nicht anwendbar; auf das was von
dieser Materie noch gemeinsam bleibt, konnte der Bund, wenn er sich nicht
geradezu schädigen wollte, nicht verzichten. Der bedenklichste Punkt ist die
Regelung der militärischen Verhältnisse. Das baierische Heer bildet einen
in sich geschlossenen Bestandtheil des deutschen Bundesheeres mit selbststän-
diger Verwaltung unter der Militärhoheit des Königs von Baiern, im
Kriege — und zwar mit Beginn der Mobilisirung — unter dem Befehl
des Bundesfeldherrn. Aus diesem Grundsatze fließen selbstverständlich viele
mit einem bundesstaatlichen Verhältnisse fast unvereinbarliche Konsequenzen.
Gerne verzeichnen wir auch einzelne Zugeständnisse auf diesem Gebiete an
die Bundesgewalt. Die allgemein für Deutschland bezüglich der persönlichen
und sachlichen Leistungen im Militärwesen geltenden Normen sollen auch für
Baiern gelten; die Organisation, Formation, Ausbildung und Mobilmachung
der Truxpen sollen nach gleichen Grundsätzen erfolgen; die Inspektion des
baicrischen Kontingents ist ein Recht und eine Pflicht des Bundesfeldherrn;
im Kriege sind die baierischen Truppen verpflichtet, dem Bundesfeldherrn
unbedingten Gehorsam zu leisten; gemeinsame Bestimmungen in Beziehung
auf die Festungsanlagen und die Erklärung des Kriegszustandes sind wenig-
stens in Aussicht genommen. Den Schluß dieser Beschränkungen der deut-
schen Verfassung zu Gunsten Baierns bilden zwei allgemein sehr bezeichnende
Bestimmungen. Nach der einen haben in allen Fällen, in welchen zwischen
jenen Beschränkungen und dem Terte der deutschen Verfassungsurkunde eine
Verschiedenheit besteht, für Baiern lediglich die ersteren Geltung und Ver-
bindlichkeit. Nach der anderen können jene Beschränkungen künftig nicht
anders, als mit Zustimmung Baierns abgeändert werden. Man sollte nun
glauben, daß die Sonderbestimmungen zu Gunsten Baierns hinreichend ab-
geschlossen seien. Dieses ist jedoch nicht richtig. Es folgt noch ein Schluß-
Frotokoll und in diesem letzteren sind nicht blos Erklärungen und Erläute-
rungen enthalten, wie dies bei derartigen Protokollen meistens der Fall ist,
nein, das Schlußprotokoll enthält zwischenhinein neue Beschränkungen, neue
Vorbehalte zu Gunsten Baierns. Die Bundeslegislatire soll nicht zuständig
sein, das Verehelichungsrecht mit verbindlicher Kraft für Baiern zu regeln.
Dieselbe soll sich nicht auf die Frage erstrecken, unter welchen Voraussetzungen
Jemand zur Ausübung politischer Rechte in einem einzelnen Staate — will
heißen in Baiern, — befugt sei. Die etwa vom Bunde über das Immobiliar=
Versicherungswesen zu erlassenden gesetzlichen Bestimmungen können in Baiern
nur mit Zustimmung der baicrischen Regierung Geltung erlangen. Sogar
eine entsprechende Betheiligung bei der ferneren Ausarbeitung eines allge-
meinen deutschen Cirilprozeßgesetzbuchs, die sicher nicht ausgeblieben wäre,
hat Baiern vertragsmäßig sich zusichern lassen. Ganz besonders hervorzu-