I. Kammer. Mohl. Bluntschli. 395
wenigstens schwer verwundet darniederlegt, und noch ist der Friede nicht er-
striren! Wir sind ferner betrübt, — und es ist das doch ein berechtigter Grund zur
Betrübniß, — daß die Verhältnisse im einzelnen Lande sich allerdings künftig
liiner, bescheidener gestalten werden, namentlich auch die Ständeversamm-
lungen gegenüber dem großen Reichstag. Wir werden allerdings als Badener
an diesem Antheil nehmen können, allein nur in kleiner Zahl, während auf
der anderen Seite die Rechte der Kammern nothwendig sehr zurücktreten
werden. Es ist — das ist wenigstens meine persönliche Ueberzeugung —
auch noch zu bedauern, daß nicht Alles so in den Verabredungen hat zu
Stande gebracht werden können, wie es wünschenswerth gewesen wäre. Nicht
ist das die Schuld unserer Regierung, sie liegt anderswo; allein wir wollen
hoffen, daß die Erfahrung, daß die Zeit und daß vielleicht auch die nöthi-
gen Auseinandersetzungen und Klarmachungen das allmälig wieder gut machen
werden, was jetzt noch nicht hat in'e Reine gebracht werden können. Dann
wird wirklich rerbessert werden können, was der Verbesserung bedürf-
tig ist, dann wird auch weggeräumt werden können, was unnützer Weise
bereingekommen ist. Das steht der Zukunft anheim; es werden das seiner
Jeit wir selbst oder jedenfalls unsere Nachfolger zu besorgen und darauf hin-
zuwirken haben.
In der zweiten öffentlichen Sitzung vom 19. Dezember 1870
wurde folgender mündlicher Bericht über die Vorlage erstattet:
Dr. Bluntschli'): Durchlauchtigste, hochgeehrteste Herren! Da es mir
rergönnt ist, als Berichterstatter der Commission über die Bundes= beziehungs-
weise Reichsverfassung und die Staatsverträge Bericht zu erstatten, so befinde
ich mich heute in einer weit glücklicheren Lage, als bei allen früheren Anlässen, in
denen ich die Ehre hatte, ebenfalls die deutsche Frage zu besprechen. Der Zwie-
fralt, der während eines vollen Jahrhunderts durch Deutschland gegangen
i., war auch in unserem Haus früher spürbar und in Folge dessen waren die
damaligen Meinungen mehr oder weniger getheilt. Heute haben wir die
dreude, einig zu sein. Ebenso war bei allen früheren Anlässen das Ziel ein
entferntes, ein zum Theil unsicheres, heute ist es gegenwärtig und klar.
Bir wissen genau, was wir erhalten, wir haben uns nicht mehr mit unbe-
stimmten Hoffnungen und Erwartungen zu beschäftigen. Sie wissen Alle, wie
in diesem Hause, wie überhaupt in diesem Lande die entschiedene Neigung
X war, in den Nordbund einzutreten, und zuweilen beschlich den Einen oder
Andern von uns die Ungeduld, als die Aufnahme so lange verzögert ward.
Dem wir aber heute auf diese Periode zurückblicken, — und noch mehr wird
ies der Fall sein, wenn später die Geschichte davon sprechen wird, — so erscheint
diese Mandlung als eine #unglaublich rasche. Wenn man erwägt, daß im
Zühre 1866 noch die deutsche Nation in zwei feindlichen Lagern sich selber
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