396 Baden. Verhandlungen der ersten Kammer.
bekämpfte, so ist es ein ungeheures Ereigniß, daß vier Jahre später dieselbe Nation
unter Einer Fahne einmüthig für das Vaterland streitet. In dieser ganzkurzen Zeit
haben sich die Geschicke erfüllt. In der That, Jeder von uns hatte wohl im Som-
mer dieses Jahres das Gefühl, die größten Ereignisse zu erleben, die je da waren in
der deutschen Nation. Die tausendjährige Geschichte von Deutschland ist reich an
großen Momenten, aber ich glaube nicht, daß ein einziges aufgeführt wer-
den kann aus früherer Zeit, das den Vergleich aushält mit dem, was wir
im Jahre 1870 erlebt haben. So lange es eine deutsche Nation giebt, war
dieselbe niemals einig in dem Grade wie in diesem Sommer, niemals ging
ein so großartiger Geist der Erhebung durch die ganze Nation wie in diesem
Jahre; in allen früheren Perioden war vielmehr Zwiespalt, war mehr Ge-
schiedenheit der Parteien, war Unsicherheit des Gedankens. Es war in der
That eine ganz wunderbare Erscheinung, wie vom Fürsten an bis zum ge-
meinsten Taglöhner Ein großes Gefühl, Ein Geist die ganze Nation er-
hob. Der freventliche und anmaßliche Angriff unseres Nachbars hat auf
einmal, ich möchte sagen, das Bewußtsein des deutschen Volkes in der Tiefe
aufgeregt und es ging damals ein Gefühl durch die deutsche Nation, daß
ihre Schicksalsstunde geschlagen habe, daß das Schicksal die große Frage an
Deutschland richte, ob die Deutschen gegenwärtig fähig und gewillt seien, den
Froßen Beruf zu übernehmen, die ihnen zugedacht ist in Europa und für die
Welt. Die Nation hat diesen Ruf des Schicksals verstanden. In der That,
die kriegerischen Ereignisse waren im letzten Grunde doch nur eine Bestäti-
gung der inneren Zuversicht, welche die deutsche Nation damals hatte, des
großen heldenmäßigen Entschlusses, Alles daran zu setzen, um diesesmal der
großen Aufgabe gewachsen zu erscheinen. Sie groß die Thaten des deutschen
Heeres sind, so wunderbar diese Erfolge, sie waren vorbereitet durch dieses
Gefühl der Einheit und Erhebung, das durch die Nation ging. Wir haben alle
Ursache dankbar zu sein. Gerade in einem Grenzland waren wir ganz besonders
den Kriegsgefahren ausgesetzt und dennoch war es damals höchst merkwürdig zu
beachten, daß die ganz natürliche Besorgniß jener Zeit eines Ueberfalles von
französischer Seite her doch beständig gewissermaßen gehoben oder wenigstens
beschwichtigt wurde durch die Zuversicht auf die nationale Kraft Deutschlands,
durch das Vertrauen auf die Führung des gemeinsamen deutschen Heeres
und, ich füge hinzu, auch durch den Glauben an eine göttliche Gerechtigkeit,
die in der Geschichte waltet. Wenn der König von Preußen als Bundes-
feldherr in seinen Berichten wiederholt sich auf Gott beruft, so hat er meines
Erachtens einem tiefgefühlten Gedanken des deutschen Volkes nur Ausdruck
gegeben. In der That, diese ganze großartige Bewegung war nicht blos
ein Werk einzelner Menschen, sondern etwas schicksalsmäßiges, es war eine
Spur einer höberen Leitung darin wahrzunehmen, und ich glaube, wir dür-
fen uns nicht schämen, daß das deutsche Volk den Glauben an Gott noch
in seiner Seele trägt und offen ausspricht. Wir verdienen unseren Sieg
nur, wenn wir diesen Glauben bewährt haben. Ein solches Feuer war