Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Bluntschli. 401 
Zweifel der wichtigste und eingreifendste. Da kommen vorerst eine ganze 
Reihe ron Bestimmungen in Betracht, durch welche Artikel der Verfassung 
als auf Baiern nicht anwendbar bezeichnet werden, in denen sich also Baiern 
nech seine besondere Stellung, eine gemisse Isolirung vorbehält. Wenn man 
übrigens näher zusieht, so ist auch dieser Gegensatz nicht so wichtig, als er 
auf den ersten Blick scheint. In sehr vielen Fällen handelt es sich in der 
That nur darum, ein gewisses Gefühl einer selbstständigen Stellung möglichst 
zuschonen in der äußern Form. Das gilt so in den wichtigen Dingen, namentlich 
rom Militärwesen Wir müssen hier immerhin in billige Berücksichtigung ziehen, daß 
Baiern ein Staat von 4 Millionen ist, der doch in höherem Grade ein gewisses 
Gefühl einer staatlichen, ich möchte sagen, sogar einer relativ europälschen 
Stellung hat als irgend einer der andern deutschen Staaten, außer natürlich dem 
leitenden. Wir müssen ferner anerkennen, daß Baiern, indem es in diese Ver- 
sassung eintritt, in der That viel mehr gethan hat, als wir noch vor 6 Monaten 
für möglich erachtet haben. Seit diesen 6 Monaten ist auch das Gefühl 
in Baiern lebendig geworden, daß die Sicherheit dieses Staats und seine 
Zukunft nur in der allerengsten Verbindung mit dem übrigen Deutschland 
gewährleistet sei, nicht aber in einer isolirten Stellung, daß die Stellung von 
Baiern eine höchst gefährdete wäre ohne diesen innigen Verband. Wir 
wollen uns überdem der Thatsache, der erfreulichen Thatsache nicht verschlie- 
ben, daß in Baiern die deutsche Gesinnung während der zwei letzten Gene- 
rationen im Laufe dieses Jahrhunderts außerordentlich zugenommen hat, sehr 
viel lebendiger geworden ist als in irgend einer früheren Periode der Geschichte. 
Noch im vorigen Jahrhundert war in Altbaiern hievon fast gar nichts zu finden 
und heute geht durch die Hauptstadt München ein lebendiger Zug der nationalen 
deutschen Gemeinschaft. Wir dürfen gar wohl vertrauen, daß dieser Zug auch in 
Baiern wachse und daß die Differenzen und Vorbehalte entweder praktisch sich von 
selter lesen werden oder doch formal nach dem Wunsche Baierns selbst wieder be- 
seitit werden. Auch das baierische Heer hat nun einmal eine gewisse Be- 
drutung und wenn die Baiern heute noch auf ihre blauen Uniformen stolz 
sind und ihrer Tapferkeit bewußt, so können wir ihnen das nicht übel neh- 
men. Im letzten Grund ist dies auch kein großer Schaden, wenn die einen 
eine etwas andere Uniform haben als die andern. Wenn einmal der große 
Heerführer, der unsere militärischen Dinge leitet, sich einverstanden erklärt 
mit diesem Zugeständnisse an Baiern und dessen Selbstgefühl, so haben wir 
entfernt keine Ursache, anders zu handeln und, ich möchte sagen, militäri- 
scher zu sein als der Leiter des Militärwesens. Also diese Dinge bewegen 
uns nicht, irgend einen Vorbehalt zu machen. In den Verträgen giebt es 
aber ein paar Punkte, die allerdings etwas Bedenkliches haben und die ich 
schon deßwegen nicht ebenso mit Stillschweigen übergehen kann. Es sind 
des bauptsächlich drei: Es sind diese Dinge auch in der Commission zur 
Srrachen gekommen. Das erste bezieht sich auf den Ausschuß für auswär- 
Raterialien III. 26
	        
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