Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Berlichingen. 407 
Kaiserthum, der uns klar bewußt werden soll. Der mittelalterische Kaiser, 
weil er roͤmischer Kaiser war, bedrohte Rom, bedrohte Italien; er war etwas 
von einem Welteroberer unter Umstäaͤnden. Wir bedrohem Italien nicht 
mehr, wir wollen in Rom nicht mehr regieren. Der römische Kaiser war 
seiner ganzen Stellung nach auf das Engste verflochten mit der Kirche, dem 
Papstthum; der deutsche Kaiser der heutigen Zeit ist ein moderner Kaiser 
obne kirchliche Beimischung, vollständig frei und getrennt von diesen Dingen. 
Der moderne deutsche Kaiser bedeutet nicht Eroberer, sondern Schirmer 
des Friedens, er bedeutet nicht einen römischen Weltherrscher, nicht einen 
Vertheidiger des specifisch römischen Kirchenglaubens, er bedeutet die Ge- 
wissensfreiheit, er bedeutet den modernen Staat; er wird sich nicht als 
ein Bedrücker erweisen irgend welcher Kirche oder religiösen Verbindung, 
sondern als Schirmherr der Frciheit Aller, und das Alles und noch vieles 
Andere liegt dem Keime nach in dem großen Wort, das heute schon die 
Nation mit Jubel begrüßt hat, in dem Worte „Deutscher Kaiser.“ Damit, 
durchlauchtigste, hochgeehrteste Herren, will ich meine Berichterstattung schließen 
und zum Schlusse nur die freudige Erwartung aussprechen, daß wir in diesem 
feierlichen Moment, wohl bewußt der Größe desselben, wohl bewußt der un- 
gehcuren Umgestaltung, die das in allen Verhältnissen hervorbringen wird, dennoch 
den Act einer Neubegründung einer großen deutschen Nation, mit dem deutschen 
Kaiser an der Spitze, mit Freuden vollziehen helfen, mit Dankbarkeit gegen unsere 
führrr, voraus gegen Seine Königliche Hoheit den Großherzog, gegen unser Heer, 
gegen das ganze deutsche Volk, das sich der großen Zeit würdig erwiesen hat. 
Ich hoffe, Sie werden einstimmig der Verfassung und den Verträgen Ihre 
Zustimmung ertheilen und erlaube mir nur noch als Auftrag der Commission 
zu bemerken, daß dieselbe es für schicklich erachtet hat, in der Voraussicht, 
daß dieses Haus die Verträge einstimmig annimmt, eine Adresse an Seine 
Königliche Hoheit den Großherzog zu erlassen. Es wird wohl dieser Grund- 
gedanke einen Ausdruck erhalten. Ich habe daher die Ermächtigung von 
Ihnen nachzusuchen, daß die Commission beauftragt werde, für einen Ent- 
wm#dieser Adresse besorgt zu sein. 
Graf von Berlichingen’): Er habe zwar schon in der Kommission 
seine Zustimmung erklärt und seinen Standpunkt klar konstatirt, finde sich 
doch aber zu einiger Motivirung seiner Abstimmung hier veranlaßt. Zu- 
nächst gefalle ihm nicht die Art, wie die Verträge zu Stande gekommen; 
es scheine zu genügen, daß die Regierungen zugestimmt haben, auf die 
Stimme der Nation sei dabei wenig Räcksicht genommen, denn trotz aller 
Diskussionen handle es sich einfach um Annehmen oder Ablehnen. Daß 
man insbesondere den Süddeutschen wenig Rechnung trage, habe die nach 
Versailles wegen Antrages der Kaiserwürde entsendete Deputation dargethan, 
à4 S. 13 r. u.
	        
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