410 Baden. Verhandlungen der ersten Kammer.
gezupft, Eure Gesundheit getrunken, hinter dem warmen Ofen lebhaft an
Euch gedacht, Euch wollene Socken in's Feld geschickt, aber den Vertrag,
den man uns über die Verfassung des durch Euch geeinigten Deutsch-
lands vorgelegt, haben wir wegen des oder jenes Paragraphen nicht zu-
gestimmt. Einen solchen engherzigen Standpunkt könnte Redner nicht
einnehmen, er hielte ihn für unpatriotisch und undeutsch.
Staatsminister Dr. Jolly: In freudig gehobener Stimmung ergreife
er heute das Wort und spreche zunächst seinen Dank aus dem Herrn Be-
richterstatter für dessen warme und beredten Worte, sowie seine Freude
darüber, daß die Kommission die Verträge einstimmig zur Annahme em-
pfehle. Er hoffe, daß auch dieses Haus ihnen einstimmig beitreten werde
und stütze sich dabei auf die Aeußerungen des letzten Herrn Reduers, der,
bisher ein Gegner der Politik, die heute sich erfülle, den gewaltigen That-
sachen Rechnung tragend, auf die Seite des geeinigten Deutschlands her-
übergetreten sei. Nur das Letztere in's Auge fassend, wolle er nichts Anderes
gehört haben, in dessen verschiedene Zirkel daher nicht folgen. Seine Auf-
gabe hinsichtlich der Verträge sei, den historischen Verlauf derselben darzu-
legen, wenigstens, nachdem die Schilderung schon im andern Hause gemacht
und wohl von der Mehrzahl der Mitglieder hier gehört worden sei, das
Wesentliche vom Gange der Verhandlungen mitzutheilen. Nach den ersten
glücklichen Erfolgen des Krieges, am 2. September — also vor Kenntniß
der Kapitulation von Sedan — habe sich die Großherzogliche Regierung
veranlaßt gefunden, sich dem Bundeskanzler gegenüber darüber auszu-
sprechen, was wir als wünschenswerthe Frucht dieser Erfolge betrachten.
Diese Wünsche bezogen sich auf zwei Punkte: Die Sicherung der deutschen
Grenzen und die Constituirung der inneren deutschen Verhältnisse. In
ersterer Beziehung hoben wir als dringendstes Bedürfniß hervor: Beseitigung
der unerträglichen Grenzen, die seit Jahrhunderten wie ein Alp auf uns,
insbesondere Süddeutschland, gelastet haben. Also nicht Ehrgeiz, nicht
preußische Ländergier habe den ersten Anstoß hier gegeben, sondern die
Regierung eines friedfertigen süddeutschen Staates, um endlich erlöst zu
werden von der schmachvollen Abhängigkeit vom Auslande, unter dessen
Kanonen unser ganzes Land unmittelbar gelegen habe. Natürlich habe
man dabei nicht verlangt, daß das zu gewinnende Gebiet getheilt und ein
Stück davon uns zugewiesen werde, sondern gewünscht, daß der Gebiets-
zuwachs dem großen Ganzen zu Gute komme, und nach Allem, was seit-
her bekannt geworden, werden die betreffenden Länder deutsche Reichsländer
werden. Betreffend den zweiten Punkt, die Konstituirung Deutschlands, so
konnte man schon damals die Zuversicht und die Ueberzeugung aussprechen,
daß diese erfolgen könne und werde ohne die Einmischung irgend einer
auswärtigen Macht, und daß der Drang dazu in den deutschen Staaten
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