Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

412 Baden. Verhandlungen der ersten Kammer. 
besprechung nachgegeben worden. Der zweite Punkt habe die Post zum 
Gegenstand gehabt. Von vorneherein entschlossen, die Post als Bundes- 
beziehungsweise Reichsanstalt anzunehmen und zwar sowohl im Interesse 
des Ganzen, als wohl auch unsrer selbst, die wir sonst in ein mißliches 
Konkurrenzverhältniß der größeren Macht gegenüber gerathen wären — 
habe es sich für uns nur darum gehandelt, die Höhe der Reute zu be- 
stimmen, die Baden für die Uebergangsperiode gebühre. Nach den 
Resultaten der letzteu Jahre haben unsere Postüberschüsse durchschnittlich 
130,000 Thaler betragen, nach den Bestimmungen des Artikel 52 der 
Bundesverfassung würde auf unsern Antheil etwa treffen 60— 70.,000 Thaler, 
also ungefähr nur die Hälfte unserer bisherigen Revenuen; sd habe man 
sich denn für die Dauer der acht Jahre auf 100.000 Thaler als Minimum 
unseres Antheiles vereinigt, worauf von uns um so mehr hätte eingegangen 
werden können, als mit Aufhören unserer Eigenschaft als Grenzland die 
Einnahmen an Transitporto für uns verloren gingen. Die übrigen an 
der Bundesverfassung bewirkten Aenderungen seien von uns nicht veranlaßt, 
also auch nicht zu verantworten. Wir hätten nur die Wahl gehabt, den 
Vertrag überhaupt nicht abzuschließen oder mit den von den andern Kon- 
trahenten festgehaltenen Bedingungeu. Daß von uns keine Vorbehalte in 
Fartikularistischem Sinne gemacht wurden, dagegen sei bis jetzt von keiner 
Seite eine Einwendung erfolgt; ebenso wenig habe man aber den Weg 
einschlagen können und wollen, — wie Graf v. Berlichingen meine —, 
jeden Unterschied zwischen Central= und Partikulargewalt zu beseitigen und 
so den Einheitsstaat herzustellen. Und wenn der Herr Graf meine, daß 
unter 10 Badenern 5 offen und 1 im Geheimen aufhören möchten, Badener 
zu sein, so sei er damit vollkommen im Irrthum, indem von 100 kaum 
Einer diese Anschauung theile, vielmehr bei aller Geneigtheit, tem gemein- 
samen großen Vaterlande beizutreten, die Badener sich doch wohl bewußt seien, 
wie sie dem Partikularstaat eiue Reihe von Wohlthaten verdanken, die sie 
im strengen Einheitsstaat nicht genießen würden. Der Herr Berichterstatter 
habe die Veränderungen in der neuen Verfassung hervorgehoben und einige, 
wie Redner glaubt, mit Recht als Verbesserungen, andere nicht als solchce, 
vielleicht sogar als Verschlechterungen bezeichnet, keinenfalls aber als so 
erhebliche, um deßhalb das Ganze rerwerflich erscheinen zu lassen. Letzteres 
sei in der That der entscheidende Gesichtspunkt. Bei Prüfung eines Ver- 
trags und nach dessen Wesen, wonach die verschiedenen einander wider- 
streitenden Anschauungen und Bestrebungen der Kontrahenten ihre Aus- 
gleichung finden sollen, könne man nicht jede einzelne Klausel als solche 
und isolirt prüfen und je nach Gefallen annehmen oder verwerfeu, sondern 
nur das Ganze in's Auge fassen. Und da könne man nur mit der größten 
Freude „Ja“ sagen, denn es gewähre mehr, als noch kaum vor einem 
halben Jahre die kühnste Phantasie erwarten konnte. Freilich müsse man 
dabei von Idealen absehen: Sei es auch nicht gelungen, einen ganz schönen
	        
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