Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

418 Baden. Verhandlungen der ersten Kammer. 
Graf zu Teiningen-Billigheim'): Nach der Art und Weise, wie 
die Vorlagen an das hohe Haus gekommen, sei es in Bezug auf das Re- 
sultat einerlei, ob man mit Ja oder Nein stimme, und das sei, was er be- 
klage. Er beklage, daß so tief eingreifende Verfassungsänderungen nicht 
entweder schon früher oder aber erst nach Schluß des Friedens zur Ver- 
handlung kommen können. Wäre er gewählter Abgeordneter, würde er 
sein Mandat niederlegen und seinen Wählern überlassen, jemand Andern zu 
suchen, der leichteren Herzens als er über so ernste Dinge hinweggeben 
könne; genöthigt aber, von einem verfassungsmäßig ererbten Rechte Ge- 
brauch zu machen und eingedenk seines dem Land geleisteten Eides, gezieme 
ihm ein deutsches Bekennen. Mit Ja zu stimmen, hieße seiner Ueberzeu- 
gung entgegenhandeln, in der letzten Stunde zu einer Partei sich bekennen, 
die in den letzten Jahren die Gewalt besessen, aber nicht der Ausdruck des 
badischen Landes, am wenigsten des badischen Volkes gewesen, einer Partei, 
die — trotz der ungeheuren vom Land gebrachten Opfer — in Versailles die 
Verträge nicht habe zu Stande bringen wollen, die unbedingt mit Baiern 
und Würtemberg häten errungen werden müssen. Vermuthlich sei dabei 
der Gedanke maßgebend gewesen, daß das badische Land unfähig sei, als 
selbstständiger Staat fortzubestehen. Er stimme mit Nein und glaube 
dies um so mehr thun zu können, als seinen Namen der Vorwurf man- 
gelnder deutscher Gesinnung nicht treffen könne. Daß bei einem Angriff 
auf deutsches Gebiet die militärische Unterordnung unter die preußische 
Führung zum Schutz der deutschen Grenzen vollständig genüge, beweisen 
die glorreichen Erfolge unserer Waffen, die wir eben mit Stolz bewundern. 
Warum also unter dem Scheintitel eines deutschen Bundes Preußen gegen- 
über uns freiwillig in den Zustand eines Helotenthums begeben? Dafür 
könne er nicht stimmen, so freudig er die Größe und Einigung Deutsch- 
lands unter der Form eines wirklichen Föderativstaates begrüßt hätte. 
Schließlich könne ihn auch der Vorwurf des Particularismus nicht treffen, 
denn der höre auf, wenn es sich nicht mehr der Mühe lohne, für die Fort- 
eristenz einer Dynastie aufzutreten, die sich ohnmächtig selbst aufgegeben 
und damit für unfähig erklärt habe, das Land selbstständig fort zu 
regieren. 
Staatsminister Dr. Jolly: Das scheine ihm doch eine zu starke Aeuße- 
rung zu sein, die in diesem Hause nicht hingehen könne. 
Der PFräsident ruft hierauf, und nachdem auch Stimmen aus dem 
Hause den Ordnungsruf verlangt, den Grafen zu Leiningen-Villigheim wegen 
dieser Acußerung zur Ordnung. 
*) S. 20 Fx u.
	        
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