Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Adresse. Jolly. 41 
In der vierten öffentlichen Sitzung der l. Kammer vom 21. December 
1870 begleitete Minister Dr. Jolly die Verlesung des höchsten Vertagungs- 
reskripts mit folgenden Worten: 
Zunächst bin ich von Seiner Königlichen Hoheit unserm gnädig- 
sten Fürsten und Herrn beauftragt, Ihnen seinen Dank für Ihre 
Theilnahme an dem großen Werk der politischen Einigung Deutsch- 
lands und seine aufrichtige herzliche Freude über das Gelingen dessel- 
ben in dem einträchtigen Zusammenwirken aller Parteien auszusprechen. 
In dem kurzen Zeitraum einer Woche haben wir uns in gemeinsamer Ar- 
beit über Beschlüsse geeinigt, wichtiger als alles das, was selbst die 
Aeltesten unter uns bisher in ihrem öffentlichen Leben gethan, woran 
selbst die Jüngsten unter uns in ihrem fernern Leben Theil zu nehmen 
heffen können. Die Wiedererstehung des Deutschen Reiches unter einem 
ablichen Deutschen Kaiser, der in seinen und seiner Ahnen und seines 
Erben Thaten einen so vollgiltigen Rechtstitel für die höchste politische Ge- 
walt über alle deutschen Lande mit sich bringt, wie ihn wuchtiger keiner 
seiner Vorfahren im Reiche besessen, ist ein Ereigniß, durch welches die 
Geschicke unseres Vaterlandes nach aller menschlichen Voraussicht 
auf Jahrhunderte hinaus bestimmt, durch welches die Verhältnisse ganz 
Eurepa's nicht minder dauernd werden beeinflußt werden. Wir 
dürfen von diesem gewaltigen Ereigniß, zu welchem an unserm be- 
scheidenen Theil mitzuwirken uns vergönnt war, für uns und die Welt 
zute Früchte erwarten. Die Wiedergeburt des deutschen Reickes vollzieht 
sich freilich in einem furchtbaren Krieg. Gerade in diesen letzten Tagen 
baben wir die zermalmende Härte desselben tiefschmerzlich empfunden. Der 
Mann, der noch vor zwei Tagen über den einen Hauptvertrag hier Be- 
ticht erstattete, hatte schon damals, ohne es zu wissen, den einzigen Sohn 
auf dem Felde der Ehren verloren. Der ritterliche Prinz, den wir seit 
Jahren, sei es als Präsidenten, sei es als eifriges thätiges Mitglied in 
dieser Versammlung verehren, und der, nur um die Waffen gegen die 
FKeinde des Vaterlandes tragen zu können, mit seltener Selbstverläugnung 
ein unter seinem militärischen Nang stehendes Commando übernommen und 
mit gewohnter Hingebung und Todesverachtung geführt hat, wird ver- 
wundet in der Heimath zurückerwartet. Für viele Hunderte von Familien 
unseres Landes werden die bevorstehenden Festtage, die nach herzlicher 
deutscher Sitte Tage der Freude und des Familienglücks sein sollten, statt 
dessen Tage tiefen Schmerzes und sorgenvollen Kummers sein. Und so, 
durchlauchtigste, hochgeehrteste Herren, ist es weit und breit, bei Freund 
und Feind. Aber — und das ist unser Trost bei allen Schrecken dieses 
Krieges — nicht wir haben in frevelhaftem Uebermuth ihn heraufbeschworen, 
er ist uns gegen unsern Willen ungerecht und gewaltthätig aufgedrungen. 
Wir haben uns in diesem Kampf bereits die freie Selbstbestimmung für 
die politische Constituirung unseres deutschen Vaterlandes erkimpft, wir
	        
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