422 Baden. Verhandlungen der ersten Kammer.
wollen und wir werden in ihm noch das Weitere, einen dauerhaften
Frieden, eine besser als die bisherige gesicherte Grenze erkämpfen. Durch-
lauchtigste, hochgeehrteste Herren! Als ich vor einigen Wochen wiederholt
in Betrachtung der Prachtbauten und all' der Luxuswerke vertieft war, die
vor bald zwei Jahrhunderten unter Ludwig XIV. in Versailles erstanden,
in einer Zeit, als unser armes Vaterland aus hundert Wunden blutete, die
immer schmerzlicher und tiefer zu geben der fränkische Nachbar nicht er-
müdete, da drängte sich mir oft der Gedanke auf: die Art und Weise, wie
heute unser deutsches Volk sich zu einer der ersten Stellen in Europa auf-
zuschwingen im Begriff steht, ist eine wesentlich andere als diejenige, welche
das damals in der Fülle seiner geistigen und materiellen Kräfte stehende
französische Volk befolgte, sie wird, das vertraue ich fest, für uns und die
Welt eine heilvollere sein. Welcher Unterschied zwischen der berechnenden
Herzlosigkeit des „bralez le Palatinat“" und dem Wort des Königs
Wilhelm: „Die Unseren haben Orleans genommen, Gottlob ohne
Sturm“, also ohne neue Menschenopfer. Tausende von Müttern werden dem
greisen Helden dieses Wert nie vergessen. Und das sprechendste Zeugniß
für den Geist der Mäßigung und Gerechtigkeit, der die Führer Deutsch-
lands in Mitte beispielloser Erfolge beseelt, sind die Verträge selbst, denen
Sie Ihre Zustimmung ertheilt haben, durch welche die künftige politische
Gestalt unseres Vaterlandes bestimmt werden soll. Was ihnen auf der
einen Seite an systematischer Vollkommenheit fehlt, gereicht ihnen auf der
anderen Seite zum höchsten Lob. Niemanden ist es eingefallen, die wahr-
haft betäubende Macht der wunderbaren Siege zu einem ungerechten
Druck gegen rechtlich gleichgestellte Bundesgenossen zu mißbrauchen. Die
Deutsche Reichsverfassung beruht auf freiem Vertrag, — unter keinem anderen
Einfluß, als dem des freudig bewegten nationalen Bewußtseins abge-
schlossen. Die strenge Achtung des Rechts, welche dem Staatsmann,
dessen allzu energische Kühnheit zu auderen Zeiten wohl getadelt wurde,
jetzt im Stillen von Manchem zum Vorwurf gemacht wird, diese strenge
Achtung des Rechts hat unserer neuen deutschen Verfassung allerdings ein
recht unsymmetrisches, ungleichartiges Ansehen aufgeprägt, sie ruht aber
dafür auf dem unzerstörten, naturwüchsigen Felsea des Rechts. Die auf
ehrlicher Anerkennung des gegenseitigen Bedürfnisses beruhende, aus freiem
Vertrag hervorgegangene Deutsche Verfassung mag sich zunächst auf eine
engere, auf eine beschränktere Einigung beziehen, als Mancher, als auch ich
es gewünscht hätte, aber darum, deß dürfeu wir vertrauen, ist sie nur
um so fester und inniger, und der Ausdauer deutscher Arbeit wird es ge-
lingen, das einmal in's Leben gerufene Werk zu höherer Vollkommenheit
zu führen. Wir werden an unserem Theil der Arbeit nicht erlahmen und
wir rechnen, durchlauchtigste, hochgeehrteste Herren, auch für die Zukunft
dabei auf Ihre fernere Unterstützung. Möge es — die Vorbedingung für