426 Heffen. Zweite Kammer.
entschiedenen Uebergewichte des unitarischen Elements zu erblicken. Wer von
dieser Ansicht ausgeht, muß indessen zugeben, daß die suͤddeutschen Staaten,
welche es nach den Ereignissen des Jahres 1866 zum Theil als eine Rettung
vor der äußersten Anmuthung betrachteten, daß es ihnen verstattet blieb,
außerhalb der Grenzen des Norddeutschen Bundes zu verbleiben, sich damit
durch eigene Schuld fast jeden Einflusses auf die Gestaltung der Verfassung
und Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes beraubten. Wenn man dem
gegenüber von Seiten der Präsidialmacht sich jedes direkten Zwanges enthielt,
so hatte man gerade genug gethan, um einen hie und da doch vielleicht
störenden Einfluß lahm zu legen und verdiente daneben noch die Anerkennung
einer fast selbstlosen politischen Mäßigung. Es wäre dann noch vielleicht
später die Möglichkeit geblieben, eine Uebereinstimmung der süddeutschen
Staaten auf Grund eines festen Programms herbeizuführen und dieses Pro-
gramm in geschlossener Vereinigung dem Norddeutschen Bunde mit der
Frage nach der Acceptation vorzulegen. Es hätte dann doch die Voraus-
setzung Platz greifen können, daß für das Angebot des Gesammteintritts ein
entsprechender Preis geboten worden wäre. Aber von alledem geschah Nichts.
Die Frage der Schuld mag unerörtert bleiben. Es jist ohnehin schwer, von
einer Schuld da zu reden, wo die zwingende Macht der realen Verhältnisse
mehr Wirkung ausübt, als menschlicher Wille zu überwinden vermag. Ge-
nug, über die Negation des Eintritts in den Norddeutschen Bund brachte
man die Uebereinstimmung kaum hinaus und auch da bildete sich nur eine
Majorität, so daß es dem sogenannten süddeutschen Bunde an den ersten
nothwendigen Voraussetzungen seiner Bildung gebrach. Auch anderweite
Versuche, außerhalb des Programmes eines süddeutschen Bundes, behufs Ei-
nigung der süddeutschen Staaten sind gemacht worden — sie vermehrten mur
das „schätzbare Material“ und es ist heute von keinem praktischen Werthe
mehr, zu untersuchen, ob und welche wirkliche Verbesserung der Verfassung
des Norddeutschen Bundes dem deutschen Volke damit vielleicht verloren ge-
gangen ist. Zeigt doch auch die Art und Weise, wie schließlich die Ver-
fassungsverträge zu Stande gekommen sind, mehr als zur Genüge, daß selbst
in der letzten Stunde die süddeutschen Staaten knicht dazu gelangten, ihr
ctwaiges gemeinsames Interesse gemeinsam zu wahren, und wie gerade der
Staat, von welchem man annahm, daß er nach Macht und Bedeutung am
ersten berufen gewesen wäre, diese Gemeinsamkeit herbeizuführen und zu
fördern, das gemeinschaftliche Handeln mit den übrigen Staaten, wie man
glauben könnte, fast geflissentlich vermied, um für sich dann um so leichter
eine pririlegirte Ausnahmsstellung zu retten. Diejenigen, welche in der Ver-
fassung des Norddeutschen Bundes überall nur die Gefahr einer allmählichen
Unterdrückung oder Aufsaugung der Eineesstaaten erblicken und der Meinung
waren — vielleicht noch sind —, daß die Bestimmungen jener Verfassung
mit unabweisbarer Nothwendigkeit auf den Einheitsstaat zudrängten, werden
darum damit zufrieden sein müssen, daß insbesondere durch den mit Baiern