Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Gagern. 447 
muͤßten, nicht bezeichnen zu sollen; sie liegen in Aller Munde. Man glaubte 
indessen, daß, ahne die Bedeutung dieser Fragen zu unterschätzen, ohne die 
Nothwendigkeit einer Ordnung dieser Fragen im Laufe der Zeit irgendwie 
rereinen zu wollen, daß der jetzige Augenblick nicht dazu geeignet sei, um 
diese an sich schwierigen, zum Theil zwar vielbesprochenen aber noch wenig vor- 
berriteten Fragen zum Abschluß zu bringem. Man ging davon aus, daß es 
richtiger sei, jetzt sich auf Das zu beschränken, was unmittelbar durch den 
Veitritt der süddeutschen Staaten geboten sei, und den weiteren inneren 
Veufassungsbau dem Zusammenwirken des zukünftigen Deut- 
schen Bundesraths mit dem künftigen Deutschen Reichstag zu 
überlassen. So bewegen sich denn die vorliegenden Verträge auf der 
Grundlage der Verfassung des Norddeutschen Bundes ur.d beschränken 
sich darauf, in diese Verfassung hineinzutragen, was durch die Erweiterung 
des Bundes unmittelbar geboten wurde.““) Meine Herren, Sie werden nicht 
rerkennen, daß in dieser Erklärung des Bundesministers im Reichstag zu 
Balin ein Anerkenntniß der Unvollkommenheit der Verfassung des Nord 
deutschen Bundes liegt, daß sie einer Entschuldigung dafür gleichkommt, daß 
nicht bereits durch die Verfassungsverträge, die heute Gegenstand unserer Ber 
athung sind, diejenigen Verbesserungen der Bundesverfassungen vorgeschlagen 
wurden, deren diese bedarf. Ob es nicht zweckmäßiger gewesen wäre, weiter 
zu gehen, will ich nicht crörtern, denn — und dies führt mich zu einem wei- 
teren Grunde, warum ich den Verträgen, so wie sie liegen, beistimme — ich er- 
kenne rollkommen die unermeßliche Schwierigkeit an, die zu überwinden war, um 
einem solchen Resultat zu kommen. Die Erkenntniß dieser Schwicrigkeit muß 
geneigt zu machen, sich auch mit dem so gewonnenen Unvollkommenen zubegnügen, 
im Vertrauen eben auf die Zukunft. Gewiß, Sie Alle werden von dieser Schwie- 
aigkeit durchdrungen sein. Das führt mich zu der Kritik, welche der Aus- 
schß bericht übt, indem er der Bairischen Regierung den Vorwurf macht, 
dab sie absichtlich dem Zusammenwirken mit den anderen süddeutschen Staaten, 
um zu einer besseren Verfassung zu gelangen, sich entzogen habe, lediglich um 
ihre baierischen partikularistischen Zwecke um so sicherer zu erreichen. Ich 
will bezüglich dieser Klage Einiges bemerken, was mir Veranlassung bieten 
wird, auf diezenigen Punkte zu sprechen zu kommen, die ich an der Bundes- 
refassung hauptsächlich auszusetzen habe und deren Berbesserung nun für 
eine längere Zukunft die Aufgabe bleiben wird, welche die Nation mit Zähig- 
keit zu erstreben haben wird. Und wenn ich dieser Punkte heute in diesem 
Kreise ausführlicher erwähne, wo ich schon öfters über die deutsche Frage zu 
#rrechen Gelegenheit hatte, so werden Sie den alten Mann mit Nachsicht 
beurtheilen. Es ist jedoch nicht meine Absicht, heute hier Reclame für meine 
Vergangenheit zu machen, die vielmehr bei diesem Anlaß von selbst aus der 
Vergessenheit heraustritt, sondern ich will nur auf das Wesentlichste, was 
– — — 
S. Sd. III. S. 133.
	        
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