Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Gagern. 455 
versammlung entwickelt worden; ich habe also nichts Neues, und am 
wenigsten etwas, was feindlich gegen Preußen sich richtete, postulirt. Ich 
hate bedingen zu müssen geglaubt, was ich für nothwendig erachte, damit 
Preußen die wohlthätige Stellung in Deutschland einnehme, die wir im 
Juleresse Deutschlands für dasselbe in Anspruch nehmen. Ferner habe ich 
für die Reichs-Vertretung das Zwei-Kammer-System postulirt. Das 
Einkammer-System bei allgemeinem und direktem Wahlrecht ist, wie die 
Erfahrung lehrt, eine Maschinerie im Interesse des Absolutismus. Der 
heutige Bundesrath im Norddeutschen Bunde, halb Executive, halb Legis- 
lative — und so wird er auch in dem neuen Deutschen Bunde nach der Ver- 
fassung sein, die uns zur Genehmigung vorliegt — ist meines Erachtens eine 
Anomalie. Er bleibe, als ein Hort der staatlichen Autonomie, als ein Theil 
der Erekutive, ein Rath der Krone; aber daß er zugleich die Rolle eines Ober- 
hauses spiele, das stößt gegen die durch die Erfahrung erprobten Lehren 
von dem Organismus an, durch welchen politische Freiheit zu begründen 
und zu erhalten ist — Lehren, die ungestraft nicht mißkannt werden dürfen. 
Ver in constitutionellen Grundsätzen aufgewachsen ist und darin lebt, kann 
sich mit solchen Anomalien nicht versöhnen. Ein Oberhaus kann gebildet 
werden auf verschiedene Art und ich will darin keine Meinung als eine 
solche bezeichnen, die auf unzweifelhafte Geltung Anspruch habe. Es kann 
zum Theil aus den Kammern der einzelnen Staaten, zum Theil aber auch 
aus solchen, theils erblichen, theils gewählten Elementen gebildet werden, 
welche das Vorhandensein des Groß-Grundbesitzes überall in Deutschland 
als die bewährtesten für die Reichsvertretung der Berücksichtigung em- 
pfiehlt. Den fürstlichen Dynastien muß es wenigstens freigestellt sein, ob 
sie in der Versammlung der Reichs-Vertretung persönlich Platz nehmen 
wollen; denn je weniger in Zukunft berechtigtem Ehrgeiz die Rolle Be- 
friedigung gewähren mag, welche die Fürsten-Geschlechter in den vom Reich 
abhängigen Bundes-Staaten auf den Thronen spielen werden, um so mehr 
ist es gerecht, billig und zu wünschen, daß ihnen der Weg nicht versperrt 
sei, jede persönliche Geltung sich innerhalb des Organismus des Deutschen 
Reichs zu erwerben, zu der sie Beruf fühlen. Durch die Annektationen 
find Elemente rechtlos geworden, die im Rechtsstaat in dieser Rechtlosigkeit 
nicht verbleiben können. Ein Oberhaus wird die natürliche Brücke für 
manche Elemente sein, bezüglich deren es nicht gleichgültig ist, ob sie mit 
der neuen Ordnung versöhnt werden, und bei denen es gilt, ihnen die 
Bege zu bahnen, um diejenigen öffentlichen Rechte auszuüben, deren Aus- 
übung die Staatsweisheit am besten von Solchen gewahrt sieht, welche 
mit bedeutendem Vermögens-Besitz ausgestattet sind und welche damit 
Bürgschaft für das vorzugsweise Interesse an der Erhaltung der natio- 
nalen Institutionen künftig geben werden. — Meine Herren, ich bin weit- 
läufiger geworden, als ich es beabsichtigte und doch konnte ich Manches 
nur andeuten. Haben Sie Nachsicht mit mir. Ich habe nachgewiesen,
	        
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