456 Hessen. Verhandlungen der zweiten Kammer.
daß ich im Auftrag Großherzoglicher Regierung thätig war, deren Bereit-
willigkeit zum Wiederzusammenschluß von Nord= und Süd-Deutschland
unter der Bedingung zu erklären, daß einige wenige, aber bedeutende Aen-
derungen an der bisherigen Norddeutschen Bundesverfassung stattfänden;
und ich habe die Zuversicht, daß die Zukunft diese Veränderungen ge-
währen, daß der Geist der Nation mit der ihm gestellten Aufgabe, die
Verfassung zu verbessern, durchdringen wird. Es sind noch andere Gründe,
die mich bestimmen, den Vorlagen zuzustimmen. Es sind durch die Er-
eignisse, welche den Vorlagen vorausgegangen sind, Zweifel geschwunden,
welche bei Vielen bestanden haben, ob nach Austritt Oesterreichs Deutsch-
land unter Preußens Führung stark genug sein werde um seine nationale
Stellung zu wahren und seine nationalen Aufgaben zu erfüllen. Man
wird zugestehen, daß die Ereignisse, durch welche jene Zweifel gelöst wurden,
so nicht vorzusehen waren. Ich darf als bekannt voraussetzen, welche
Stellung ich zu der Frage von dem wünschenswerthen Verband
zwischen Deutschland und Oesterreich in meinem öffentlichen Leben einge-
nommen habe. Nachdem die Versuche fehlgeschlagen sind, welche gemacht
wurden, um einen staatsrechtlichen Verband zwischen Oesterreich und dem
übrigen Deutschland zu erhalten, ist Oesterreich selbst in dem Prager
Frieden aus dem deutschen Verband ausgetreten. Wenn nach dem Prager
Frieden in Oesterreichischen Kreisen die deutsche Tradition noch insoweit
Anhänger sich erhielt, daß die Hoffnung genährt wurde, das eigne Bedürf-
niß Deutschlands werde eine Modifikation des Prager Friedens herbei-
führen und das Band zwischen Oesterreich und Deutschland wiederherge-
stellt werden, so glaube ich jetzt nach den Ereignissen dieses Jahres be-
haupten zu können, daß wenigstens in den leitenden Kreisen jene Hoffnung
aufgegeben ist; daß die heutigen Staatsmänner Oesterreichs die Wieder-
herstellung eines staatsrechtlichen Verbandes mit Deutschland nicht mehr
suchen, nicht im Interesse der Oesterreichisch-Ungarischen Gesammt-Monarchie
erachten. Bleiben Allianzen. Schon früher aus Veranlassung der Baie-
rischen Mission des Grafen Tauffkirchen, deren ich vorhin erwähnt habe,
sind durch das Oesterreichische Rothbuch Nr. I. Aktenstücke bekannt geworden,
wonach die Oesterreichische Regierung selbst, bezüglich der Frage einer
allgemeinen und dauernden Allianz zwischen Oesterreich und
Deutschland eine sehr reservirte Stellung genemmen hatte. Sie hält eine
solche Allianz nicht in ihrem Interesse, weil sie voraussieht, daß in einer
solchen Allianz nicht an Oesterreich der maßgebende Einfluß
auf die Leitung einer gemeinsamen Politik fallen werde, noch ihm ein
gleichberechtigter Einfluß gesichert werden könnte, und weil sie
es unter solchen Umständen in ihrem entschiedenen Interesse erachtete, die
Freiheit der Entschließung und Bewegung Oesterreichs zu wahren. Eine
andere Frage wird aber für Oesterreich wie für Deutschland die sein: ob
nicht beiden gewisse nationale und staatliche Interessen gemeinsame sind,