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die eine freundschaftliche Verständigung dauernd voraussetzen und deren
Bedrohung eine concrete Allianz zwischen beiden zum Schutz dieser
gemeinsamen Interessen hervorrufen könnte. Die neueste Zeit hat die
orientalische Frage aufs Neue in den Vordergrund gestellt und es ist be-
kannt geworden, wie gerade, veranlaßt durch das Russische Vorgehen gegen
die Neutralisation des Schwarzen Meeres, Oesterreich sich veranlaßt ge-
sehen hat, an Preußen-Deutschland die Frage zu stellen, ob es den Beruf,
in dieser Frage neben ihm und unter Umständen gegen Rußland zu stehen,
erkenne oder nicht, ob in diesem Falle Oesterreich auf Preußen-Deutschland
zihlen könne? Die neueste Intervention Preußens im Interesse des
Kriedens, die Conferenz, welche es in Vorschlag gebracht hat, mag als
Beweis dafür gelten, daß Preußen diese Frage nicht von der Hand ge-
wiesen hat, und mehr jetzt, als ich es früher gethan habe, hege ich die
Hoffnung, daß Preußen an der Spitze Deutschlands, — daß der künftige
deutsche Kaiser den deutschen Beruf bezüglich der orientalischen und
Derau-Frage erkenne und in Gemeinschaft mit Oesterreich zu lösen ent-
schleseen sei. — Ich habe mich nun noch bezüglich der Concessionen und
fpeciellen Vorrechte auszusprechen, welche an den Partikularismus Baierns
gemacht worden find, und bin der Meinung, sie sollten uns nicht eifer-
suchtig machen. Man könnte zwar sagen: wenn diese Corcessionen der
Einheit nichts schaden, so würden sie am besten allen Bundes-Staaten ge-
währt werden. Aber wir wollen darüber gegenwärtig keine Schwierigkeiten
erheben. Viele dieser Concessionen sind ohnehin meines Erachtens vor-
übergehender Natur, und so nehmen wir sie insgesammt hin in der
Hoffnung, daß dadurch die Einigkeit in Deutschland wenn auch auf
Kosten der Gleichberechtigung unter den einzelnen Bundes-Staaten, um
so sicherer gegründet wird. Seien wir dabei der Geschichte Baierns und
der Bedeutung des Vorgangs dieses mächtigeren Staates eingedenk des
um so größeren Opfers, welches es der Einheit Deutschlands durch seinen
Beitritt zum Bunde unter solchen Bedingungen bringt! — Nun zum letzten
Grund, der mich bestimmt, für die Verträge zu stimmen. Es ist un-
zweifelhaft, daß diese Verträge und die Bereitwilligkeit der beiden größeren
Süd-Staaten, sie abzuschließen, das Ergebniß der Waffenbrüderschaft in
schwerem Kampfe und nationalem Kriege und der militärischen Ereignisse
find, die in den letzten Monaten sich zugetragen haben. Meine Herren,
Tausende und Tausende liegen unter Grabhügeln in Frankreich, denen die
Hoffnnng den Tod versüßte, daß sie für die Größe und Einheit des Vater-
landes gefallen und in fremder Erde gebettet sind. Ich möchte nicht die
Verantwortlichkeit mittragen und auf mein Gewissen nehmen, daß diese
Hoffnung Sterbender unerfüllt bleibe, daß nach all' diesem vergossenen
Blute und nach allen diesen Opfern, die gebracht worden sind, Deutschland
nicht einiger und dadurch mächtiger aus dem Kampfe hervorgehe — ohne ein
festeres dauerndes Band seiner Einheit, Bürgschaft seiner Zukunft. Wir