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wie der genannten Einzelstaaten müssen in Uebereinstimmung handeln, soll
dos Werk zu Stande kommen. Wir sind daher nicht in der Lage, beson-
dere Anträge und Wünsche zur Geltung zu bringen, sondern wir müssen
und können nur entweder annehmen oder abweisen. Und doch,
meine Herren, glaube ich, daß kaum ein Einziger inmitten dieses Hauses
sich befindet, der nicht nach vollster Ueberzeugung ganz begründete Wünsche
und Beanstandungen gegen das vorliegende Verfassungswerk zur Geltung
zu bringen hätte; nicht ein Einziger, der nicht zugestehen müßte: es ist
Allem Rechnung getragen, nur nicht der freiheitlichen Grundlage
und Entwicklung der Rechte des Volkes, welche nach Maßgabe
dieser Staatsverträge weder gewährleistet sind, noch in Zukunft zu erringen
laum in Aussicht stehen. Nicht die in ihrer Zusammensetzung und Ver-
faffungsverhältnissen auseinandergehenden gesetzgebenden Faktoren des Nord-
kundes und der einzelnen Südstaaten können berufen erscheinen, die Stimme
der gesammten Nation zur Geltung zu bringen. Solche Machtstellung könnte
um eine constituirende Versammlung einnehmen, welche als Repräsentant
des Gesammtvolkes berufen werden müßte, um ein so folgeschweres Ver-
fassungswerk im Interesse und im Namen des Volkes selbst zu prüfen.
Bohl weiß ich, die Berufung einer solchen constitnirenden Versammlung
unter den gegebenen Verhältnissen ist hoffnungslos. Ich kann dieserhalb
nur rerwahrend den Machthabern zurufen: Die Stimme des Volkes ist
dei diesem Verfassungswerke nicht gehört worden, sie kann nicht gehäört
werden; es ist gleichsam ein Gewissenszwang, der uns zuruft: auf
diese gegebene Weise, oder nicht, werdet ihr einig! Um so mehr fühle ich
mich veranlaßt zu prüfen, welchem Geschicke führt uns das vorliegende
Verfassungswerk, die Macht der Höheren, die es bestimmt haben, entgegen?
Venn auch meine Worte nichts zu ändern vermögen, ich bin es meinem
früheren Wirken in diesem Saale, ich bin es der großen Sache des Vater-
landes, für die begeistert mein Herz schlägt, schuldig die Gründe anzugeben,
die mich bestimmen zu sagen: mein Gewissen verbietet mir diesem Ver-
fassungswerke zuzustimmen. Meine Herren, die Grundlage der ganzen
Verfassung bildet, wie sich nicht anders erwarten ließ, die Norddeutsche
Bundesverfassung selbst. Meine Gedanken über letztere, ich habe sie in
diesem Hause wiederholt ausgesprochen. Sie können und werden nicht er-
warten, daß meine aus voller Ueberzeugung vertretene Anschauung sich ge-
i#ndert habe. Die Norddeutsche Bundesverfassung ist nach meiner Ansicht
leine solche, welche auf einer wahren bundesstaatlichen, föderativen
Grundlage die Einigung deutscher Stämme und Völkerschaften sichert.
Es soll diese Verfassung zwar durch die vorliegenden Verträge Aenderungen
im Interesse der großen Einigung unterworfen werden. Solche Aenderun-
gen find theils allgemeiner Natur, für alle einzelnen Staaten, die
beigetreten sind, bestimmt, theils besonderer Natur, sofern sie einzelnen
Staaten eine Sonderstellung einräumen. Wir müssen uns hiernach klar