Dumont. 461
und Niederlassungsrechtes. Auch für solche Materien, welche Gegenstand
der gemeinsamen Gesetzgebung verbleiben, finden die bereits erlassenen
Bundesgesetze für Baiern nicht unbedingte sofortige Annahme. Wir haben
also hier gemeinsame und nicht gemeinsame Interessen, die sehr tief in das
Besen des föderativen Bundes eingreifen. Wir haben eine Scheidung
innerhalb des neuen Bundes begründet, welche wiederum eine itio in partos
im Bundesrathe wie Reichstage einführt — ein Nachklang der alten Wahl-
karitulationen! Eine ganz besondere Aufmerksamkeit muß dagegen die
Ausdehnung der Bundesgesetzgebung auf das Preß= und Ver-
einsrecht, als gemein same Angelegenheit finden, weil sie dem Bundes-
Prifidium eine neue Handhabe mit Bedrohung der freiheitlichen Grund-
kechte des Volkes an Händen giebt. Meine Herren, das Preß= und Ver-
einsrecht, welches nach Artikel 4 der seitherigen Bundesverfassung nicht zu
den, der allgemeinen Gesetzgebung des Bundes unterliegenden Gegenständen.
gehörte, ist in Folge dieser neuen Verabredungen Gegenstand der allge-
meinen Gesetzgebung geworden. Man wird mich vielleicht fragen: warum
sellten nicht gerade diese Rechte der gemeinsamen Gesetzgebung zufallen,
welche doch größere Gewähr der Trefflichkeit bietet, als die der Einzelstaaten?
Allein abgesehen davon, daß einzelne Staaten, insbesondere Baiern, für
die Preß= und Vereinsfreiheit eine so freisinnige Gesetzgebung haben, daß
die Bundes-Gesetzgebung insbesondere durch Einführung des Schwurge-
richtes für die Presse ihr kaum gleichkommen wird, so bietet die Bundes-
rerfassung nicht gleich den Verfassungen der Einzelstaaten eine Gewähr
dieser wichtigsten politischen Rechte. Die Ueberweisung des Aufsichtsrechts
über Presse und Vereine an die Centralmacht des Reiches ist eine sehr be-
denkliche, denn es handelt sich um die Wahrung gerade der Grundrechte,
welche die einzige Möglichkeit der Fortentwicklung dieses Verfassungswerkes
im velksfreundlichen und freiheitlichen Sinne mit sich führen. Sie werden
der Gesetzgebung und dem Aussichtsrechte einer Centralmacht preisgegeben,
welche nicht einmal eine für Uebergriffe verantwortliche Behörde zur
Seite hat. Oder wollen Sie mir etwa die Verantwortlichkeit des Bundes-
kaunzlers in das Gedächtniß rufen? Daun gedenken Sie auch der Lötzener
Gefangenhaltung, dann gedenken Sie, wie der Bundeskanzler in Berufung
auf den Kriegszustand alle Verantwortlichkeit auf die Militärmacht abwälzte,
vie letztere sich für unverantwortlich erklärte, wie schließlich ein Cabinets-
besehl in der Sache noch wohlthätig wirken mußte! Die Unabänderlichkeit
dieser Verfassung, welche denn doch so viel des Wünschenswerthen zur
Aeunderung darbietet, hat von Neuem eine Sicherung bekommen, indem
aur 14 Stimmen gegen eine beantragte Aenderung das Verfassungswerk,
so wie es gegeben ist, ein für allemal zu erhalten vermögen. Da bauen
Sie weiter, gestützt auf die Kraft der Reichsversammlung, gegenüber solchen
Bestimmungen, welche feste, staatsrechtlich durch Vertrag gesicherte Verhält-
nisse an 14 unter 58 Stimmen binden, welche die Sonderstellung Baierns