462 Hessen. Verhandlungen der zweiten Kammer.
nur mit dessen Einwilligung einer Aenderung zugänglich machen!
Ich kann hiernach diese allgemeinen und besonderen Aenderungen der
Nordbunds-Verfassung als Reichsverfassung keineswegs freudig begrüßen.
Würdigen wir nunmehr die Sonderstellung, welche sich insbesondere Baiern
gesichert hat! — Es ist äußerst bedeutungsvoll zu entnehmen, wie die
Baierischen Staatsmänner, fest fußend auf dem rein föderativen Grund-
satze, dem sie sich allein unterordnen wollten, alles das aus der Reichsrer=
fassung. — wie ich sie jetzt neunen darf — ausmerzten, was damit im Wider-
spruche steht, wie sie sich eine Autonomie zu sichern wußten, welche bis an
die Gränze des Möglichen in einem föderativen Bundesstaate heranreicht.
Soll ich dies des Näheren darthun? Baiern hat seine volle Militärheheit
erhalten für die Zeiten des Friedens; es hat sich freilich der Militäror-
ganisation unterworfen und verpflichtet, eben so viel für das Militär
zu verausgaben, wie alle auderen Staaten, je 225 Thaler per Kofpf.
Es hat zwar diesen Wermuthskelch mit hinnehmen müssen und dies ist
auch die Handhabe um ihm seine föderativen Gelüste demnächst zu rer-
kümmern. Es hat sich aber in Bezug auf Post-, Eisenbahn= und Tele-
graphenwesen bis an die äußerste Grenze eine selbstständige Gesetzgebung
erhalten; es hat sich das Heimaths= und Niederlassungsrecht für die eigne
Gesetzgebung ein für allemal vorbehalten. Baiern hat sich sogar gegen
Uebernahme sämmtlicher Gesetzgebungswerke verwahrt, die nach Artikel 80,
jetzt 79 der neuen Verfassung als früher erlassene Bundesgesetze, nunmehr
auch auf den neuen Bund übernommen werden sollen. Es hat eine Re-
vision im Wege der Bundesgesetzgebung vorbehalten und nur die Bundes-
gesetzgebung kann von Neuem es zur Anfnahme dieser Gesetze zwingen.
Es hat auch für die Zeiten des Friedeus einen höchst fatalen Artikel der
Verfassung ausgemerzt, auf den ich besonders aufmerksam machen will.
Es ist das der Artikel 68, welcher dem Präsidium des Bundes die Befug-
niß an Händen giebt, so oft es die öffentliche Sicherheit gebietet, deren
Störung zu befürchten ist, den Kriegszustand zu erklären. Es ist
in diesem Artikel zwar vorgesehen, es solle demnächst ein Bundesgesetz er-
lassen werden, allein bis ein solches erlassen werden wird, ist einfach auf
einige Artikel der Preußischen Verfassungsurkunde Rücksicht genommen, und
wie auch diese im Kriegszustande gehundhabt werden, die jüngste Erfahrung
hat es gezeigt! Hiergegen nun hat sich Baiern gewehrt, indem es einer
solch’ abnormen Befugniß nur unter der Bedingung untergeordnet werden
kaun, daß ein Bundesgesetz zu Stande komme, welches die Ver-
aussetzung der Erklärung in Kriegszustand und die Art dessen Handhabung
von Bundes= und Gesetzeswegen regelt. Meine Herren, Sie ent-
nehmen hieraus: Baiern hat für sich in eiuer Art und Weise gesorgt, der
wir von seinem partikularistischen Standpunkte aus schon Anerkennung
zollen können. Es hat im Allgemeinen sich das zu erhalken gewußt, was
es glaubte in einem wahren föderativen Staatenbunde erhalten zu dürfen.
Aber ich kaun vom allgemeinen Standpunkte aus das Verfahren dieses