Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

490 Würtemberg. Kammer der Abgcordneten. 
verfassung und der Reichsgesetzgebung zu verweisen, sobald die oben hervor- 
gehobenen allgemeinen Gesichtspunkte zur Würdigung der Verfassung des 
Deutschen Reiches für deren Annahme den Ausschlag geben. 
In diesem Sinne und mit diesen Beschränkungen wenden wir uns 
nunmehr zu dem Inhalte der Verfassung und der Verträge. 
S. 6. 
Daß die Aufgabe des Bundes und seine Zuständigkeit im großen 
Ganzen richtig festgestellt ist, wird kaum bestritten werden wollen. 
Die ausgesprochenen Bundeszwecke: Schutz des Bundesgebiets und 
des innerhalb desselben giltigen Rechts, sowie Pflege der Wohlfahrt des 
Volks sind Anforderungen, welche von jeder Nation an ihre oberste Ver- 
fassung gestellt werden müssen. 
Ein gemeinsames Staatsbürgerrecht ist die längst anerkannte Forde- 
rung des Deutschen Volks. 
Was sodann die nähere Ausführung der Zuständigkeit des Bundes 
in Art. 4 betrifft, so ist die Nothwendigkeit gemeinschaftlicher Bestimmun- 
gen und Einrichtungen für die meisten dieser Gegenstände längst dadurch 
erwiesen, daß die einzelnen Staaten in Ermanglung einer obersten Bundes- 
gewast die Wohlthaten der Gemeinsamkeit sich, wenn auch in ungenügender 
Weise, schon bisher durch ein System der verschiedensten Staatsverträge 
zu verschaffen suchten. In anderen Beziehungen wird durch die Bestim- 
mungen dieses Artikels eine Lücke wieder ausgefüllt, welche das Aufhören 
des Deutschen Bundes vom Jahre 1815 zmückgelassen hat. Denn so 
vielen Widerspruch diese Institution beim deutschen Volke gefunden hat, 
waltete doch darüber niemals ein Zweifel ob, daß gemeinsame militärische 
Einrichtungen für die Sicherheit der Nation geboten waren, und vom 
patriotischen Gesichtspunkte aus konnte die Unfähigkeit des untergegangenen 
Bundestags zu einer kräftigen Entwicklung der deutschen Heeresverfassung 
nur bedauert werden. Als eine relativ berechtigte Ausstellung bezüglich 
der Kompetenz der Bundesgewalt wird die Thatsache bezeichnet, daß nicht 
auch die Freiheitsrechte des Volks ihrem Schutze unterstellt find. Wir find 
indessen der Ueberzeugung, daß der Werth, welcher der Aufführung soge- 
nannter Grundrechte in den Verfassungen beigelegt zu werden pflegt, viel- 
fach überschätzt wird. In der Regel kommt es auf die Ausführung an, 
welche diesen Rechten im Kenkreten durch die Gesetzgebung gegeben wird. 
In dieser Beziehung hat aber die Norddeutsche Bundesgesetzgebung in den 
wenigen Jahren ihrer Thätigkeit Bedeutendes geleistet. Wir erinnern in 
dieser Beziehung nur an das gesetzlich verbürgte freie Aufenthalts= und 
Niederlassungsrecht, an die Freiheit des Gewerbebetriebs und der Verehe- 
lichung, an die Beseitigung jedes Einflusses der Religionsverschiedenheit 
auf die bürgerlichen und politischen Rechte, an die Aufhebung der Schuld- 
haft u. s. f. Zu gesetzlicher Feststellung anderer Freiheitsrechte, des
	        
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