Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

494 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten. 
Kaisers, welchem deren Organisation und Zusammensetzung, sowie die Ernen- 
nung der Offiziere und Beamten der Marine obliegt. 
Die gesammte Landmacht des Bundes bildet ein einheitliches Heer, 
welches in Krieg und Frieden unter dem Befehle des Kaisers als Bundes- 
feldherrn steht. Der Kaiser hat die Pflicht und das Recht, für die Voll- 
zähligkeit und Kriegstüchtigkeit aller Deutschen Truppentheile, für die Einheit 
in der Formation und Organisation, in Bewaffnung und Kommando, in der 
Ausbildung der Mannschaften, sowie in der Qualifikation der Offiziere Sorge 
zu tragen; er hat das Recht der Inspection; er bestimmt den Präsenzstand, 
die Gliederung und Eintheilung der Kontingente, die Organisation der Land- 
wehr, eintretenden Falls die kriegsbereite Aufstellung eines jeden Theiles der 
Bundesarmee. Alle Bundestruppen sind verpflichtet, den Befehlen des Kaisers 
als Bundesfeldherrn unbedingte Folge zu leisten. Diese Verpflichtung wird 
in den Fahneneid aufgenommen. Der Bundesfeldherr hat gewisse in der 
Verfassung und den Militairkonventionen näher bezeichnete Ernennungerechte; 
ferner das Recht, Bundesfestungen anzulegen, soweit die dazu erforderlichen 
Mittel zur Verfügung gestellt werden. Endlich kaun er wegen Bedrohung 
der öffen#lichen Sicherheit unter den gesetzlichen Voraussetzungen, Formen 
und Wirkungen einen jeden Theil des Bundesgebiets in Kriegszustand 
erklären. 
Wenn Deutschland gegen außen gesichert sein soll, wenn die Wohlthaten 
einer Bundesverfassung nach allen Seiten hin wirksam werden sollen, so ist 
unseres Dafürhaltens eine starke Centralgewalt nothwendig. Die dem Reichs- 
oberhaupt eingeräumten Rechte sind im Wesentlichen keine anderen als solche, 
welche nach konstitutionellen Grundsätzen überall dem Oberhaupte eines Staats- 
wesens einzuräumen sind. Im Gegentheil wurden dieselben für das deutsche 
Reich durch die oben erwähnten Befugnisse des Bundesraths wesentlich be- 
schränkt; um so weniger ist aber die dem Kaiser unter diesen Beschränkungen 
eingeräumte Stellung im Princip zu beanstanden. 
Im großen Ganzen sind hienach durch die Reichsrerfassung die Rechte 
der Volksvertretung, der einzelnen Staaten im Bundeörath und des Bundes- 
oberhauptes richtig abgewogen und festgestellt. 
F. 10. 
Dagegen hat die Stellung des Bundeskanzlers, sowie der Mangel nähe- 
rer Bestimmungen über dessen Verantwortlichkeit vielfach zu Ausstellungen 
Veranlassung gegeben. Wir sind auch weit entfernt in Abrede ziehen zu 
wollen, daß insbesondere bezüglich dieser Fragen Manches der weiteren Ent- 
wicklung vorbehalten ist. 
Indessen ist jenen Ausstellungen gegenüber doch geltend zu machen, daß 
laut der Verfassung die Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidiums 
zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers bedürfen, welcher 
dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. Die Ministererantwortlichkeit
	        
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