Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

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des Bundes war es nicht nöthig, das Volk durch eine übermäßige Militär= 
last zu drücken, eine vergleichungsweise mäßige Heereseinrichtung genügte 
zur Sicherheit Deutschlands; die Steuern waren daher mäßige, und doch 
haben sie namentlich in Süddeutschland immer reiche Mittel geliefert für 
Kultur= und Wohlstandszwecke, für öffentliche Unterrichtsanstalten und Ver- 
kebrseinrichtungen. Für alle diese Zwecke ist in dieser verhältnißmäßig 
kurzen Periode Außerordentliches geleistet worden. In diesem Zeitraum war 
eS auch, daß der Boden von den Zehuten und Feudallasten befreit, die 
Gewerbefreiheit eingeführt wurde, und die süddentschen Staaten in der 
Verfassung des Zollvereins die Mittel fanden, durch erheblichen Zollschutz 
Industrie und Handel emporzubringen. Insbesondere waren es die 10 
Jahre vor 1866, in denen Deutschland in jeder Beziehung, sowohl in seinen 
staatsrechtlichen als volkswirthschaftlichen und Kultur-Verhältnissen jeder 
Art außerordentliche Fortschritte machte. Dieß Alles, meine Herren, ist 
theils gefallen, theils unsicher geworden durch die Ereignisse des Jahres 1866. 
Oesterreich ist aus Deutschland hinausgeworfen, ein Theil der norddeut- 
schen Staaten ist von Preußen erobert, der Rest derselben in der Form 
des Norddeutschen Bundes zu Vasallenländern gemacht worden. Die vier 
süddeutschen Staaten blieben vorerst selbständig, wurden aber durch die 
Allianzverträge und durch den Zollparlamentsvertrag von Preußen abhängig. 
Die Unsicherheit aller politischen Verhältnisse, welche aus dem Kriege von 
1866 entstanden ist, hat dem Gewerbfleiß und Wehlstand die tiefsten Wun- 
den geschlagen. Die Freihandelstendenzen Preußens haben demselben gleich- 
falls geschadet. Endlich hat die hohenzollern'sche Kandidatur in Spanien 
uns den gegenwärtigen Krieg mit Frankreich gebracht. Es fällt mir sicher- 
lich nicht ein und ich bin so weit davon entfernt, als irgend ein Mensch, 
die französische Regierung wegen ihres Verhaltens dabei zu entschuldigen; 
Thatsache aber ist es, daß jene Kandidatur diesen schweren und blutigen 
Kriez veranlaßt hat. Es konnte daher allerdings mit Recht die Frage sich 
erheben, ob die Südstaaten zur Theilnahme an einem aus solcher Ver- 
anlassung entstehenden Kriege verpflichtet waren. Diese Frage ist bejaht 
worden, und es ist anzuerkennen: es ist kein Deutscher, der es nicht mit 
der größten Freude anerkennt, daß der Krieg in vorzüglicher Weise geführt 
wurde: es ist kein deutsches Herz, das nicht den deutschen Waffen und 
der heldenmüthigen Tapferkeit der deutschen Heere aus innerstem Grunde 
zujubelt. Es ist auch anzuerkennen, daß dieser Krieg cine neue Lage geschaf- 
fen hat. Er hat insofern eine neue Lage geschaffen als wohl Niemand, 
welches auch seine politische Ansicht sein möge, sich verbergen kann, daß 
dieser Krieg eine große Erbitterung in Frankreich wegen der erlittenen 
Demüthigung zurücklassen wird. Es liegt darin allerdings eine große Ge- 
fahr, daß weitere Kriege daraus entstehen können, und es ist auch anzu- 
erkeunen, daß selbst die Annexion französischen, früher deutschen Gebietes 
an Deutschland, mit der wohl die allermeisten Deutschen einverstanden 
find, — ich gehöre auch zu diesen Deutschen — möglicherweise Veraulassung
	        
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