Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

526 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten. 
schränkung der Selbständigkeit der deutschen Einzelstaaten zur Folge hätten. 
Je mehr Rechte man der Deutschen Centralgewalt und dem Deutschen 
Reichstage einräumt, je mehr man dieselben ausstatten wollte mit Ober- 
haus und verantwortlichem Bundesministerium und anderen konstitutienellen 
Rechten, desto mehr steuert man von dem föderativen Prinzip, auf welchem 
die Verfassung jetzt beruht und welches durch den Beitritt der Südstaaten 
bedeutend gefördert worden ist, dem Prinzipe des Einheitsstaales zu. Es 
ist also ein Widerspruch, auf der einen Seite diese Rechte, diese Ausstattung 
der Centralgewalt zu verlangen und auf der anderen Seite nichts ablassen 
zu wollen von der Selbstherrlichkeit des Einzelstaates. Ich will mit einer 
weiteren Aufzählung der Freiheiten, der Rechte die Kammer in dieser 
späten Stunde nicht länger aufbalten. Ich schließe mich vollständig dem 
von dem Herrn Berichterstatter Gesagten an, daß die Verfassung des Nord- 
deutschen Bundes keine vollkommene ist; sie ist der weiteren Ausbildung 
fähig und auch bedürftig nach verschiedenen Beziehungen hin, nur sind 
diese Beziehungen nicht bloß diejenigen, welche von der andern Seite auf- 
Festellt werden, sondern es sind auch solche, welche eben die neuen Verträge 
mit sich bringen. Gewiff stimmt Mancher nur mit schwerem Herzen 
namentlich dem Vertrage mit Baiern zu und es ist ein schmerzliches 
Gefühl, daß die deutsche Einigung, welche im Uebrigen sich auf so erhebende 
Weise mitten im Kriege vollzieht, durch den Vertrag mit Baiern in einigen 
Punkteu getrübt wird durch die Sonderstellung, welche Baiern eingeräumt 
ist. Ich glaube, es ist das vom historischen Standpunkte aus anfszufassen 
und dann auch zu erklären und hinzunehmen; es hat sich in der Entwick- 
lung des deutschen Staatsweseus eben einmal der Staat Baiern seit Jahr- 
hunderten selbständig und bedeutend und mit einer eigenwilligen Politik 
herausgebildet, und es ist beinahe eine Sache der historischen Unmöglichkeit 
auf einmal ein solches Verhältuiß zu lösen. Wir müssen es deßhalb hin- 
nehmen. Man hat von Norddeutschland aus seit der bekannten Dexesche 
vom 7. September 1867 streng und ehrlich an dem Satze festgehalten, 
daß gegen die süddeutschen Staaten in keinerlei Weise ein Zwang ausge- 
übt werden soll; ihr Beitritt ist stets als ein freiwilliger gedacht worden 
und er ist es durchaus. Das ist der Grund, weßhalb man in keiner 
Weise versucht hat, einen Zwang gegen den Staat Baieru auszuüben, und 
so gut der Norddeutsche Reichstag am Ende den Vertrag mit Baiern ge- 
nehmigt hat, so gut werden es auch Diejenigen von uns thun, welchen 
diese Sonderstellung leid thut, sie werden dieser Sonderstellung in der 
Hoffnung einer spätern Reformirung ihre Zustimmung nicht versagen. 
Wenn wir den glücklichen Gang der Dinge im Jahre 1870 betrachten und 
das ungeheure Glück ins Auge fassen, daß es Deutschland beschieden ist, 
aus diesem Kriege als einiger Staat hervorzugehen, so legt sich eine Er- 
wägung nahe, welche im Zusammenhang mit der Reform der Verfassung 
des Deutschen Staates steht. Es ist ganz richtig, wie der Herr Vorredner
	        
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