528 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten.
land einmal versucht hat, seine Schwäche abzuschütteln, so hatte es gleich
den Erbfeind gegen sich. Aber es ist bekanntlich nicht einmal richtig, wie
es der Herr Abgeordnete von Aalen geschildert hat; denn in jener Zeit
noch war es ja segar, wo jener kleine Nachbar Deutschlands im Norden,
der Däne, uns auf die frechste Weise Trotz bicten, die deutschen Handels-
stärte beschädigen und deutsche Handelsschiffe wegnehmen konnte und wo
Deutschland in seiner Schwäche selbst einem solchen Nachbar gegenüber
wehrlos dastand! Die Zeit des Bundestages war es, in welcher ein großes
Volk als höchste Behörde einen Rath hatte, in welchem vier bis fünf
andere europäische Mächte außerhalb Deutschlands saßen und bei welchem
zwei europäische Großmächte an der Spitze standen, welche von nichts
anderem erfüllt waren als von gegeuseitiger Eifersucht gegen einander, und
in welchem keiner gegenüber dem andern duldete, daß dae Deutsche Volk in
irgend einer Beziehung sich aufraffe, um endlich einmal GEin Volk zu
werden. Das waren die Zustände unter dem deutschen Bundestag, und
sie waren weiß Gott nicht die glücklichen, friedlichen und rühmenswerthen,
wie sie der Herr Abgeordnete Mohl geschildert hat. Man kann sie nur
dann als solche auffassen, wenn Einem ganz der Begriff vom Vaterland,
der Begriff dessen abgeht, was ein Volk seiner Würde, seiner Macht und
Ehre als Natien schuldig ist. Wenn ein Volk nichts anderes will, als
dahinleben als eine Sammlung kleiner ohnmächtiger Staaten, beherrscht
ven gegenseitiger Eifersucht und bewacht von zwei Großmächten, die in
nichts anderem einig waren, als in der Unterdrückung, und wenn man
dann einen solchen Zustand für augemessen und würdig findet, dann kann
man die Zustände unter dem verblichenen deutschen Bundestag als solche
schildern, wie sie uns hier vorgeführt worden sind. Und nicht jetzt erst
hat sich iu Deutschland eine ganz andere Bahn gebrochen; ich erinnere
Sie daran, daß in diesem Hause vor einem Menschenalter der Mann seine
gewaltige Stimme führte, der, ein Süddeutscher, zum erstenmal die Jdee
ausgesprochen hat, die heute ins Leben eingetreten ist, der Mann, welchem
es noch beschieden war, wenigstens das Morgenleuchten dieser Zukunft zu
schauen, dem es aber leider nicht vergönnt war, das ganze Werk, wie er
es vorausgeahnt hatte, erblicken zu dürfen. Ich erinnere ferner daran,
wie die Edelsten des deutschen Volkes für die Einheitsidee unserer Nation
ihre besten Kräfte eingesetzt haben, wie schon in den Vierziger Jahren
allgemein der Gedanke der deutschen Einheit die edelsten Geister der ganzen
Nation ergriffen hatte, wie die Bewegung des Jahres 1848 gipfelte nicht
allein in der Freiheit, die eingeführt wurde, sondern in der Einheit des deutschen
Volkes, die man anstrebte, die man aber damals nicht erreichen konnte. Da-
mals war auch in unserem würtembergischen Volk die Opferwilligkeit, die Lust
Opfer und Lasten auf sich zu nehmen für die deutsche Einheit, eine allge-
mein verbreitete. Ich erinnere daran, daß gerade die Lasten, diejenigen
Einrichtungen, welche in der jetzigen Reichsverfassung am meisten bekämpft