Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

532 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten. 
lands den gegenwärtigen Krieg verhindert und eine befriedigende nationale 
Einigung hergestellt hätte, wenn auch nicht diejenige Einbeit, welche nun 
als Siegespreis gezeigt wird und in der Unterordnung der süddeutschen 
Staaten unter Preußen besteht. Meine Herren! Meine politischen Freunde 
und ich haben schon auf dem letzten Landtage bei der Abstimmung über das 
Gesetz, betreffend die Bewilligung der Mittel zum Kriege, in unserer moti- 
virten Abstimmung auerkannt, daß wir prinzipiell einer bundesstaatlichen 
Verbindung der Südstaaten mit dem Nordbund nicht widerstreben, auch 
wenn Oesterreich in jener Verbindung nicht mitinbegriffen ist; wir haben 
uus damit xrinzipiell unter Verzicht auf die Verfolgung des großdentschen 
Gedankens dem kleindentschen genähert und uns wesentlich auf den Boden 
der jetzigen Mehrheit dieses Hauses gestellt. Ich glaube auch mit Rücksicht 
darauf für mich und meine Freunde in Anspruch nehmen zu können, daß 
wir dem nationalen Gedanken weder vor noch während dieses Krieges 
ungetreu wurden, und wenn wir gleichwohl große Bedenken gegen die Au- 
nahme der Regierungsvorlage haben, so kommin dieselben nicht daher, daß 
wir Dunkelmänner oder Umsturzmänner sind, gegen welche das Blut der 
Gefallenen zum Himmel schreien soll, wie wir es leider an einem Orte ge- 
hört haben, wo solche Worte nicht hätten gesprochen werden sollen, — unser 
Bedenken gegen die Annahme entspringt keiner nationalen Untreue sondern 
unserer Treue im Dienst der Freiheit. Meine Herren! Ich kann nicht um- 
hin, vor allem mein Bedauern darüber auszusprechen, daß einc so wichtige 
Aufgabe, wie diejenige eines deutschen Verfassungswerkes, au uns mitten in 
einem so großen Kriege herantritt. Ich kann es nicht, wie gestern der Herr 
Abgeordnete von Böblingen gethau hat, als ein herrliches Geschick preisen, 
daß wir gerade im Kriege das demsche Einheitswerk errichten sollen, in 
einem Augeublick, wo der Boden, auf welchem dieses Werk errichtet werden 
soll, unter unsern Jüßen schwankt und während die ruhigste, besonmenste, 
aber freieste Berathung noththut, die durch den Krieg erregte Stimmmg einc 
solche erschwert und wir in einem leider sehr gelesenen Blatte, z. B. erst 
kürzlich in einer Korrespendenz vom 18. d. M. aus Karlsruhe, lesen müssen, 
daß die Ablehnung der Verträge gleichbedeutend sei mit der Aufstachelung 
des französischen Volkes zur Fortsetzung des Krieges und unrerantwortlich sei 
der deutschen Kriegführung und ihren Zwecken gegenüber. Durch solche Mit- 
theilmugen, wie z. B. auch durch die bekannten Feldpostbriefe, wird die Frei- 
heit der Berathung in diesem Hause wesentlich erschwert, und ich möchte den 
Herrn Abgeordneten von Böblingen, welcher vielleicht ron einigem Einfluß 
auf jenes Blatt ist, dringend ersuchen, im Jnteresse der Freiheit der Bera- 
tbungen seiner Kammerkollegen dahin zu wirken, daß solche Mittheilungen 
künftig unterbleiben. Meine Herren! Meine Bedenken gegen die Vorlage 
der Regierung gründen sich zunächst auf die Behandlungeweise des Gegen- 
standcs. Der Herr Justizminister, dessen große Leistungen in seinem De- 
partement ich steto auerkauut habe und anerkennen werde, versieht in diesem 
Augenblick nebenher, wie es scheint, die Geschäfte der Ministers der aus-
	        
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