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wärtigen Angelegenheiten, und ich bedauere in hohem Grade, daß ich seine
Leistungen auf diesem Gebiet nicht in dem Grade anerkennen kann, wie die-
jenigen in seinem eigentlichen Ressort. Das Ergebniß der Verhandlungen
in Versailles, welches er uns vorgelegt hat, ist ein solches, welches ich als
ein für unser Land glückliches, unserem Interesse entsprechendes nicht anzu-
erkennen rermag. Es ist vor allen Dingen — und sein Vortrag von gestern
bat darüber die nöthige Aufklärung nicht gegeben — nicht recht begreiflich,
war#um nun auf einmal der Eintritt in den Nordbund so dringend geboten
sei, der Eintritt, welchen er selbst früher als nachtheilig für die Interessen
des Landes bezeichnet hat. Die Verfassung des Nordbundes, meine Herren,
ist durch die Ereignisse von 1870 nicht anders geworden, und die Modifi-
katienen, welche durch die Verhandlungen erreicht worden sind, sind keine
so wichtigen und wesentlichen, daß sic dazu beigetragen haben werden, das
frühere Urtheil des Herrn Justizministers zu ändern. Der Umstand, daß
Bürtemberg, treu seiner vertragsmäßigen und nationalen Pflicht, in einer
gerechten Vertheidigung an die Seite Preußens getreten ist, bedingt nicht die
Nothwendigkeit eines sofortigen Eintritts in den Nordbund, im Gegentheil,
Diejenigen, welche im Hinblick auf die Nothwendigkeit, einmüthig für die
Integrität Deutschlands einzutreten im Falle eines Angriffs, eine engere Ver-
bindung mit dem Nerden wollen, können zurückgewiesen werden mit dem
Hinweis darauf, daß die süddeutschen Staaten, auch ohne Glieder des Nord-
bundes zu sein, ihre nationalen Pflichten freiwillig erfüllt baben. Warum,
frage ich den Herrn Justizminister, warum dieser rasche Entschluß, warum
diese kurze Frist bis zum 1. Januar, in welcher die süddeutschen Staaten
den Anschluß an den Nordbund vollzogen haben sollen? Diese Frist, meine
Herren, gestattet uns nicht, die Vorlage auch nur genauer kennen zu lernen,
riel weniger, sie gründlich und reiflich, wie man sonst in diesem Hause ge-
wöhnt ist, zu berathen. Diese kurze Frist nöthigte die Mehrheit zu dem
Antrag, ohne auch nur einen gedruckten Bericht sich erstatten zu lassen, in
rie Beratbung des Gegenstandes einzutreten, und machte es der Kommission
leicht, unter Berufung auf den gefaßten Beschluß einc eingehende Bericht-
erstattung zu unterlassen und über die Gesetze, welche wir im Zusammenhang
mit den Verträgen annehmen sollen, auch gar nichts zu sagen, ja sie uns
nicht einmal ihrem wesentlichen Inhalt auch nur kennen lernen zu lassen.
Ich glaube nicht, meine Herren, daß eine solche Behandlungsweise einer hoch-
richtigen Frage eine wünschenswerthe ist, und nothwendig wäre sie nicht ge-
wesen, wenn die Frist etwas weiter bemessen worden wäre als es geschehen
ist. Was ich ferner bedauere, ist, daß die neue Verfassung Deutschlands
nicht zum Gegenstand der Verathung eines zu diesem Zweck einberufenen
Keichstages gemacht worden ist, zu welchem auf Grund des Zollparlaments-
Vablgesetzes die süddeutschen Vertreter hätten zutreten können, und welcher
din in Gemeinschaft mit dem durch Abgeordnete der süddeutschen Regie-
amgen verstärkten Bundesrathe über das neue Verfassungswerk sich hätte
vereinbaren können; die nöthige Zustimmung der Volksvertretung der süd-