Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Oefterlen. 535 
worden sei. — Wenn ich nach GErörterung der Bedenken, welche mir die for- 
melle Behandlungsweise der Vorlagen seitens der Regierung aufdringt, mich 
in Kurzem noch auf den materiellen Inhalt der Verträge einlasse, so werde 
ich mich wohl hüten, nach der umfassenden Kritik, welche dieselben von 
Seiten des Herrn Abgeordueten von Aalen gefunden haben, und nach der 
unumstößlichen Gewißheit, daß die Verträge in diesem Hause mit großer 
Mehrheit werden angenommen werden, Sie zu lange aufzuhalten. Ich 
beanstande in Bezug auf das Materielle der abgeschlossenen Verträge vor 
allen Dingen, daß sie — der Natur der Sache nach ist es übrigens nicht 
anders möglich — in keiner Weise die Gefahr der allmählichen Absorption 
der kleinen in solcher Weise mit dem Großstaat Preußen verbundenen Staa- 
ten durch diesen Großstaat beseitigen. Es sind zwar in dieser Hinsicht Kon- 
zessienen — ich möchte sagen mehr partikularistischer als födcrativer Natur 
— den süddeutschen Staaten gemacht worden, welche geeignet sind, den 
Afsimilirungsprozeß vielleicht etwas hinaus zuziehen, aber lange nicht dem 
neuen Zustand die Garantie der Dauer gewähren, welche z. B. in der Er- 
richtung eines Staatenhauses, selbst neben einem verantwortlichen Reichs- 
ministerium, gelegen wäre. Jene partikularistischen Vorbehalte, meine Herren, 
werden ihre Gegner finden nicht bloß in Preußen und in dem Reichstage 
sondern sic werden ihre Gegner auch finden in der Bevölkerung der Einzel- 
staaten selbst, welche viel weniger darauf einen Werth gelegt wissen will, 
daß der König von Würtemberg z. B. das Recht behält, Gesandte zu schicken 
und die Uniform seines Militärs zu bestimmen, als darauf, daß das neue 
Deutsche Reich auf einer wirklich föderatiren und konstitutionellen Grundlage 
mit Staatenhaus und mit einem mit allen konstitutionellen Gerechtsamen 
ausgerüsteten Volkshaus hergestellt werde. In der That, meine Herren, ge- 
währt die durch die Verträge mit Preußen gegründete neue Verfassung in 
konstitutioneller Beziehung nicht das Maß von Rechten, welches der Vertre- 
tung einer großen Nation würdig ist, ja nicht einmal dasjenige, welches so- 
gar der kleinen würtembergischen Kammer zukam. Es ist klar, meine Herren, 
daß wo ein Reichstag, wo ein konstitutioneller Körper einer Regierung ge- 
genübersteht, welche kein verantwortliches Ministerium hat, nur der Schein 
cines Parlamentarismus geschaffen ist und daß das in erhöhtem Grade dann 
der Fall ist, wenn, wie im vorliegenden Falle, das Steuer-, das Budgetrecht 
des Reichetages in einer ganz außerordentlichen Weise gerade auf dem 
Gebict des Staatswesens beschränkt ist, wo dasselbe vorzugsweise eine Be- 
deutung hat, nämlich in Bezug auf den Militäraufwand, auf die Ausgaben 
und die Einnahmen für das Militär. Selbst dem Herrn Berechterstatter ist 
eE nicht gelungen, über diese beiden Mängel, über den Mangel eines verant- 
wortlichen Reichsministeriums und über das beschränkte Budgetrecht des 
Reichstages hinwegzukommen; er giebt sich, wie seine politischen Freunde 
überhaupt, der Heffnung hin, daß diese Mängel später im Laufe der Zeit 
sich werden beseitigen lassen; er übersieht aber scheint mir hiebei und hat, 
wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, es auch gestern nicht hervorgehoben,
	        
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