Desterlen. Mittnacht. 539
erreicht ist, aufrichtig uns die Hand reichen und zur Erlangung der öreiheit
mitwirken werde.
Justizminister v. Miktnacht:’') Ich muß mir erlauben auf die theilweise
rersöulichen Bemerkungen des Herrn Abgeordneten von Hall sofort einiges
zu erwiedem. Der Herr Abg. Oesterlen hat bemerkt, der Justizminister
kesorge, wie es scheine, uebenher die Geschäfte des Ministers der auswärtigen
IAngelegenheiten. Ich muß das in Abrede ziehen; der Heir Kriegsminister
und ich sind von Seiner Majestät dem König beauftragt worden mit
Tr Führung der Unterhandlungen in der deutschen Frage und lediglich diesem
Auftrage sind wir nachgekommen, indem wir übrigens davon ausgingen, daß
riese Frage nicht bloß eine Ressortfrage des Ministeriums der auswärtigen
Angelegenheiten sondern vermöge ihrer großen Tragweite und Wichtigkeit
eine von dem ganzen Ministerium zu leitende Unterhandlung sei. Wir haben
auch wirklich nach den Instructionen und unter fortwährender Zustimmung
unserer Kollegen verhandelt. Daß der Abgeordnete ron Hall mit dem Er-
gebniß unserer Unterhandlungen nicht zufrieden ist, das überrascht mich selbst-
rerständlich nicht; es wird aber weniger darauf ankommen, ob der Herr Abg.
Oesterlen zufrieden ist, als auf die Zufriedenheit der Mehrheit dieses Hau-
ses, und wie diese Mehrheit ron dem Ergebniß denkt, werden wir bei der
Abstimmung finden. Der Herr Abg. Oesterlen hat daran erinnert, daß
ich seiner Zeit den Eintritt Würtembergs in den Norddeutschen Bund als
den Interessen des Landes nicht förderlich erklärt habe. Das habe ich gethan,
ich habe aber auch schon am 11. Okteber 1866 in diesem Hause, und ich
babe in einem dem Herrn Abg. Oesterlen wohlbekannten gedruckten Wahl-
programm vom Juli 1868 mich ausgesprochen für die Verbindung Süddeutsch-
lunds mit Norddeutschland auch ohne Oesterreich, aber allerdings unter Be-
dingungen. Für eine bedingungslose Uebergabe war ich niemals, und die-
jenigen Bedingungen, die in den vorliegenden Verträgen durchgesetzt wurden,
scheint auch die Mehrheit dieses Hauses zu billigen. Das gestehe ich offen,
über das Maß der Bedingungen waren meine Ansichten nicht immer diesel-
ben, sie waren etwas verschieden, bevor die vereinigten Operationen einer be-
kannten Partei und des Herrn Abg. Oesterlen und seiner Freunde ihren
Höhepunkt erreicht hatten, — und nachher; sie waren etwas verschieden vor dem
Kriege und — nach dem Ausbruch des Krieges. Ist nicht dieser Krieg ein Er-
eigniß, welches wie die Geschicke der Nation, so auch die Ansichten der Ein-
zenen ergreift? Und wenn ein Mann, anf dessen Autorität der Herr Abg.
Oesterlen bekanntlich viel gibt, wenn der frühere Abgeordnete von Besig-
heim es laut rerkündigt hat, daß in den deutschen Verhältnissen durch den
Krieg eine gründliche Aenderung eingetreten sei, und nun vom Südbunde,
für den er und seine Gesinnungsgenossen vier Jahre lang gewirkt haben,
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*) S. 13 #zm.