Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Mittnacht. Probst. 543 
Recht in Deutschland besteht? Ist nicht eine Verschiedenheit auf diesen Ge- 
bieten eine mögliche Ouelle von Irrungen und Zerwürfnissen unter den ein- 
zelnen Bundesgliedern? Daß die Regierungen dabei von reaktionären Ten- 
denzen bestimmt worden wären, darf ich von meinem Standpunkte aus als 
eine durch nichts begründete bloße Vermuthung bezeichnen. Es können reaktio- 
näre Gesetze ohne Zustimmung des künftigen Reichstags überhaupt nicht er- 
gehen, es kann also nur Der einen Vorwurf gegen die Regierung erheben, welcher 
im deutschen Reichstag ein gefügiges Werkzeug reaktionärer Tendenzen der Regie- 
amngen im Voraus zu erblicken geneigt ist. Der Herr Abg. Oesterlen hat sich 
nicht enthalten können, darauf hinzuweisen, daß ich im Zollparlament in Berlin 
am 1. Mai 1868 der in Würtemberg bestehenden Preßfreiheit rühmend ge- 
dacht habe. Ich habe das allerdings gethan. Ich könnte vielleicht jetzt 
sagen, daß seit dem Jahre 1868 bis zum Jahre 1870 man in diesen 
Dingen in Würtemberg Manches habe lernen können, daß man gründlich 
babe kurirt werden können von zu idealen Anschamungen. Es ist ja 
auch gewiß, daß man gewissen Preßerzeugnissen gegenüber parlamen- 
tarisch ganz unqualifizirbare Gefühle haben mußte und hie umd da noch 
baben muß; aber ich kann den Herren Abgeordneten versichem, daß 
ich so gut wie der Herr Abg. Mohl längst gelernt habe, einzelne 
Ausschreitungen zu unterscheiden von der großen Bedeutung, von der 
nützlichen Wirksamkeit der Presse, und weil ich daron ganz durchdrungen bin, 
lebe ich auch des Glaubens, daß in jetziger Zeit ein Deutsches Parlament in 
Beschränkung der Preßfreiheit und des Vereinsrechtes gewiß nicht zu weit 
gehen wird.') 
Probst"“): Meine Herren! Die Erwägungen, welche bei der vorlie- 
genden Frage von meinem Standpunkte aus anzustellen waren, sind so 
mannigfacher Art, daß ich nur wünschen muß, es möchte mir gelingen, in 
einen kurzen Rahmen die Hauptgedanken zusammenzudrängen, die mich in 
der Sache bewegen und nöthigen, zu den vorgelegten Verträgen Nein zu 
sagen. Lassen Sie mich zunächst einen Blick auf die Situation werfen, 
in welcher sich diese Kammer befindet. Man hat sich schon wiederholt 
darauf berufen, das Volk habe jetzt gesprochen, die Mehrheit der Kammer 
babe zu entscheiden, die Ansicht einzelner Abgeordneten aber habe nichts zu 
beeuten. Demnach wäre ganz umsonst, was jetzt von einem entgegenge- 
setzten Standpunkte aus gesagt werden wollte. Ich erinnere mich aber 
unwilIkürlich an eine Zeit, die weit hinter uns liegt, die ich aber theils 
schon als Abgeordneter theils wenigstens als Theilnehmer an den öffeut- 
lichen Begebenheiten mitgemacht habe. Es sind jetzt 22 Jahre vorüber, 
seit in diesem Saale eine Versammlung tagte, zusammengesetzt wie die 
— 
*) Folgt nun die Rede von Uhl S. 46 l. o., Hopf S. 49 I. g. o., Streich S. 60 
t. g. m. 
% S. 52 l. m.
	        
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