544 Wöürtemberg. Kammer der Abgeordneten.
jetzige ans einer großen Zahl Staatediener, sehr vielen Gemeindebeamten,
— einer großen Regiernugomajorität, welcher nur eine kleine Opposition ent-
gegenstand; es war die Zeit, in welcher man eben den Abgeordueten
Römer über den Maikrawall von 1847 sich haite aussprechen hören;
gegen denselben hatte die große Majorität eine Stellung eingenommen,
die ihm zu verstehen gab, daß man ihm eigentlich den Hochverrathsprozeß
hätte machen können. Es kam der 21. Februar 1848 und mit einem
Schlage war die Sceue veräudert; man bat denselben Mann, er möchte
das Ministerpräsidium dieses Landes übernehmen. Es war ein Sturm in
die Zeit gefahren — Sie erlanben, daß ich darau erinnere, weil man auch
von der Gegenwart das Gleiche sagen kann — es war also, wie Uhland
sagte, ein Sturm in die Zeit gefahren und es wirkte derselbe auf die
Abgeordnetenwahlen so ein, daß alsbald in diesem Saale eine große Mchr=
heit von Mänunern der äußersten freiheitlichen Richtung saß. Im Jahre
1851 trat abermals eine Wendung ein, die Stimmung für Ruhe und
Ordnung machte sich in überwältigender Weise geltend, und die Wahlen
ergaben wieder eine große Mehrheit für die Regierung. Die Minderbeit
aber gewann in der Folge immer mehr Einfluß und trug redlich razu bei,
daß es in Würtember# gut ging, daß das Land blühte und die Freiheit
gedieh. Wenn man das alles weiß, wenn man so deutlich sieht, wie er-
regte Zeiten ihren augeublicklichen Einfluß auf die Wahlen äußern, so
macht es keinen Eindruck, wenn man sich jetzt darauf beruft, daß das
Land gesprochen habe; wenn man behauptet, was in dem jetzigen Augen-
blick die Aufregung mit sich gebracht, sei allein das Richtige. Es läßt
sich auch leicht ertragen, wenn man in der Minderheit ist und dafür ange-
sehen wird, als welle man den Werhältnissen keine Beachtung schenken und
Unmögliches postuliren. Wenn ich hievon Veraulassung nehme, ein Vor
weiter über meine und meiner Freunde Stellung zu der Sache zu sazen,
so ist anderwärts schon geäußert worden: wir haben es als Miuoritik
leicht, Nein zu sagen, man müsse aber fragen, was wir thun würden,
wenn wir uns in der Mehrheit befänden! Ich antworte darauf: es kann
Fälle geben, wo man nach seinen Grundsätzen Nein sagen müßte die
Folge davon aber ein großer materieller Schaden für das Land sein könate.
In diesem Falle muthet man aber einem Manne von Grundsätzen nicht
zu, Ja zu sagen, sondern dann wird derselbe seine Stelle aufgeben und
den Platz Solchen überlassen, die nach ihren Grundsätzen Ja sagen keuner.
Daß dieß bei uns nicht eintrat, kommt daher daß wir in der Minderheit
sind. Im Uebrigen aber liegt die Sache nicht so, daß aus dem Nein der
Mehrheit ein Schaden entstehen müßte. Für uns aber bleibt immer die
Aussicht, daß wir auch unter den jetzigen Verhältnissen nech manches Gute
für das Land wirken können. Wenn daher die Wähler uns nach voller
Kundgebung unserer Ansichten wieder gewählt haben, so haben meine
Freunde mit mir geglaubt sich dieser Wahl nicht entziehen zu dürfeu-